Erfüllte Zeit
14. 01. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
Der Schatz
Den Jünglingen, die zum ersten Mal zu ihm kamen,
pflegte Rabbi Bunam die Geschichte von Rabbi Eisik, dem Sohn Rabbi
Jekels in Krakau, zu erzählen. Dem war nach Jahren schwerer Not, die
sein Gottvertrauen nicht erschüttert hatten, im Traum befohlen
worden, in der Stadt Prag an der Brücke, die zum Königsschloss
führt, nach einem Schatz zu suchen. Als der Traum zum dritten Mal
wiederkehrte, machte sich Rabbi Eisik auf und wanderte nach Prag.
Aber an der Brücke standen Tag und Nacht Wachposten und er getraute
sich nicht zu graben. Doch kam er an jedem Morgen zur Brücke und
umkreiste sie bis zum Abend.
Endlich fragte ihn der Hauptmann der Wache, der
auf sein Treiben aufmerksam geworden war, freundlich, ob er hier
etwas suche oder auf jemand warte. Rabbi Eisik erzählte, welcher
Traum ihn aus fernem Land hergeführt habe. Der Hauptmann lachte:
"Und da bist du armer Kerl mit den zerfetzten Sohlen hergepilgert,
nur um einem Traum zu gefallen! Da hätte ich mich ja auch auf die
Beine machen müssen, als es mir einmal im Traum befohlen wurde, nach
Krakau zu wandern und in der Stube eines Juden, Eisik, Sohn Jekels
sollte er heißen, unterm Ofen nach einem Schatz zu graben. Eisik,
Sohn Jekels! Ich kann es mir vorstellen, wie ich drüben alle Häuser
aufreiße, wo die eine Hälfte der Juden Eisik und die andere Jekel
heißt!" Und er lachte wieder. Rabbi Eisik verneigte sich, wanderte
heim, grub dort den Schatz aus und baute davon ein Bethaus.
"Merke dir diese Geschichte", pflegte Rabbi
Bunam hinzuzufügen, "und nimm auf, was sie dir sagt: dass es etwas
gibt, was du nirgends in der Welt, auch nicht bei deinem weisen
Lehrer finden kannst und dass es doch einen Ort gibt, wo du es
finden kannst!"
Erzählung der Chassidim
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