Erfüllte Zeit

04. 02. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Berufung der Ersten Jünger“  (Lk 5, 1 – 11)

von Pfarrer Roland Schwarz

 

 

Als Überschrift über dem gehörten Evangelientext steht in der so genannten Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift: „Die Berufung der ersten Jünger.“ Man könnte daraus schließen, Jesus würde hier wie in anderen vertrauten Bibeltexten mit der Aufforderung „Komm, folge mir nach!“ Menschen als Jünger berufen. Aber nichts dergleichen. Jesus fordert in diesem Text niemanden ausdrücklich zur Nachfolge auf. Und dennoch - Simon, Jakobus und Johannes lassen alles zurück und gehen mit ihm. Was war es eigentlich, das sie zu diesem Schritt bewogen hat?

 

Jesus hat dem Simon bisher ungeahnte neue Entfaltungsmöglichkeiten eröffnet. Zuerst mit dem Tipp, entgegen seiner Erfahrung als Fischer am helllichten Tag zu fischen. Simon hat dadurch etwas als hilfreich entdeckt, wofür er vorher nur ein müdes Lächeln übrig gehabt hätte. Wegen seiner Skepsis hat er sich sehr schäbig gefühlt und Jesus geraten, sich mit ihm nicht weiter abzugeben. Aber darauf geht Jesus nicht ein. Er bietet dem Simon sogar eine noch viel faszinierendere Möglichkeit an: Nämlich sein von Gott geschenktes Charisma einzusetzen, um Menschen zu sammeln, die gemeinsam das Gottesreich leben wollen. Er soll Menschenfischer sein. Jesus ist es dadurch gelungen, im Fischer Simon ein Vertrauen in neue Wege, in neue Entfaltungsmöglichkeiten seines Lebens zu wecken.

 

Dabei ging es Simon an und für sich nicht schlecht. Er hatte eine Familie, gute Kollegen und einen sicheren Beruf. Dennoch hat er die Fischerei für die neue Herausforderung des Menschensammelns an den Nagel gehängt. Es wird nicht einmal mehr erzählt, was mit der Unmenge an gefangenen Fischen passiert ist. Selbst die sind ihm unwichtig geworden. Er hat einen neuen Lebensinhalt gefunden.

 

Wenn wir wie Simon von Jesus geführt Neues wagen, dann geht es dabei nicht um Veränderungen um der Veränderung willen. Auch bei Simon ist es ja nicht darum gegangen, den Fischfang als etwas Minderwertiges abzutun – sonst hätte Jesus wohl nicht geholfen, den Ertrag zu optimieren. Es geht vielmehr darum, sich neuen Herausforderungen dann zu stellen, wenn dies für das Gelingen des eigenen Lebens und noch mehr für das der anderen bereichernd ist.

 

Ab heute steht in vielen Pfarren Österreichs fest, wer für den neu zu wählenden Pfarrgemeinderat kandidieren wird. Auch hier geht es für viele noch unerfahrene Gläubige um ganz neue Möglichkeiten des Engagements. Aber auch für die Altgedienten wird manches anders: durch die Zusammenarbeit mit anderen Gemeindemitgliedern und eventuell auch durch die Übernahme neuer Aufgabenbereiche.

 

Neue Lebensräume können sich etwa durch die Begegnung mit Menschen eröffnen, die uns bewegen, uns faszinieren, die uns wichtig sind; es können aber auch neue Anforderungen sein, die sich im Beruf, in der Familie, in der Pfarrgemeinde stellen; auch wenn Schwerkranke die Kraft finden, trotz ihres Leidens Hoffnung auszustrahlen, ist das ebenfalls eine neue Möglichkeit, sich zu entfalten.

 

Wer sich auf Jesus einlässt, muss zum Verlassen ausgetretener Wege bereit sein. Wir brauchen die Kraft des Heiligen Geistes, der uns mit Gewissheit erkennen lässt, wo neue Herausforderungen auf uns warten, die unser Leben spannender machen und das der anderen bereichert.