Erfüllte Zeit

25. 02. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Versuchung Jesu“

(Lukas 4, 1 – 13)

von Univ. Prof. Wolfgang Langer

 


In unserem Kulturraum kennen wir den Teufel hauptsächlich als Gestalt in Sagen, in denen er auf kluge Weise überlistet und gegen seine eigenen bösen Absichten zu guten Diensten gezwungen wird. Am Ende kann man ihn auslachen. Und wie eine Sage mutet auch diese Erzählung aus dem Evangelium an. Nur wird der Teufel hier nicht ausgetrickst, sondern aus dem Wort Gottes widerlegt. Jesus und er führen einen Disput wie unter jüdischen Schriftgelehrten. Beide zitieren aus der Hebräischen Bibel. Nach dem letzten Argument Jesu aus dem fünften Mosebuch: „Du sollst IHWH, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen“ (Dtn 6, 16), lässt der Teufel resignierend von ihm ab. „Eine Zeitlang“ heißt es, denn er wird wiederkommen: spätestens wenn er in den Verräter Judas fährt und das Leiden und Sterben Jesu in Gang setzt (Lk 22, 3 - 6).

 

Gott auf die Probe stellen! Dazu will der Teufel Jesus verführen: „Wenn du Gottes Sohn bist...“. Jesus soll sich die Macht Gottes zunutze machen, um seinen Hunger zu stillen. Er soll mit Hilfe Satans das Regiment Gottes über „alle Reiche der Erde“ an sich reißen. Er soll die zugesagte helfende, schützende, Leben erhaltende Macht Gottes herbeizwingen, wenn er sich von der Zinne des Tempels stürzt.

 

Und was tun wir, wenn wir Gott um dieses und jenes bitten, nicht nur um Hilfe in persönlichen Notlagen, sondern in wirklich großen Anliegen der Menschheit: um die Überwindung des Hungers in der Welt, um Gerechtigkeit als Ziel der Politik der Staaten, um Frieden unter den Völkern? Stellen wir damit nicht Gott auf die Probe, anstatt selbst tätig zu werden, z.B. indem wir anfangen, unseren Reichtum mit den Armen zu teilen? Sollen wir nicht versuchen, für Gerechtigkeit zu sorgen, so gut wir nur immer können? Und ist es wirklich religiös zulässig, Gott als Versicherung gegen alle möglichen Risiken unseres Lebens anzurufen? Wie viele Menschen haben sich nicht schon von Gott und Religion abgewandt, weil ihre Gebete keine Erhörung gefunden haben.

 

Es ist gewiss ein starkes Wort, aber ich denke, dass solche, auf unsere irdischen Angelegenheiten und Nöte bezogenen Bittgebete eine geradezu teuflische Versuchung darstellen. Sie bekunden ein Missverständnis, wenn nicht sogar den Missbrauch des Glaubens an Gottes väterliche Güte. Denn die so Bittenden wollen Gott insgeheim vorschreiben, was er zu tun und wie er seine Liebe zu erweisen habe. Obwohl die frommen Christen das mit Entrüstung von sich weisen werden, handelt es sich doch um etwas, das mindestens an Magie grenzt.

 

„Nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen“ (Lk 22, 42b): Das ist die von Jesus vorgegebene Regel christlichen Betens. Eine solche vollständige Ergebung in den Willen Gottes ist sehr schwer – vor allem in Erfahrungen großer Lebensnot und Verzweiflung. Aber erst sie ist der Ausdruck jenes grenzenlosen Vertrauens, das allein der Zusage von Gottes unbedingter Liebe entspricht. Sie ist die schmerzhafte Prüfung der Ernsthaftigkeit des Glaubens. Nur Gott hat das Recht, uns auf die Probe zu stellen.