Erfüllte Zeit

11. 03. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Mahnung zur Umkehr“

(Lukas 13, 1 – 9)

von Pfarrer Hans Peter Premur

 

 

Heute werden wir mit drastischen Mitteln aufgerufen uns zu bekehren. Das Evangelium, das auf den ersten Blick gar nicht nach froher Botschaft klingt, ruft dramatische Bilder in uns hoch. Das Szenario ist wie in einem der neueren Mel Gibson Filme: menschliches Blut vermengt sich mit tierischem und Menschen werden durch Steinbrocken erschlagen. Der schreckliche Umstand ihres Todes ist für die gläubigen Menschen von damals ein Beweis, dass die Getöteten irgendwie selbst daran Schuld sind -  weil sie wahrscheinlich Sünder waren. Heute würde man im „new age“- Jargon sagen: „Weil sie ein schlechtes Karma hatten.“

 

Dieses Kausalitätsprinzip der Sünde, das besagt, der gläubige Mensch wird gesegnet, der Ungläubige ist verflucht. Dieses mechanische religiöse Weltbild hebt Jesus auf, und kritisiert die Selbstgefälligkeit der Gläubigen. Wir alle dürfen und müssen uns fragen, ob wir nicht Grund genug zur Umkehr haben. Deshalb hören wir als Gegenbild das Gleichnis vom Feigenbaum im Weinberg. Für den geschulten Hörer sind die Bilder leicht verständlich. Der Weinberg Gottes ist die Welt als Ganzes, der Feigenbaum darin ist das gläubige Volk. Der Besitzer des Weinberges, nach dem strengen Bild eines auf Ertrag ausgerichteten Unternehmers gezeichnet, scheint Gott-Vater zu sein. Der Sohn Christus selbst ist der Weingärtner. Er ist dazu da, die Früchte und die Ernte heim zu bringen. Doch gerade beim gläubigen Volk in Mitten der Weltvölker wird’s problematisch. Der Feigenbaum, die Gläubigen eben, zeigen keine Früchte. Es geht laut unseres heutigen Evangeliums eben nicht darum, nach außen zu schauen und das Unglück anderer Leute religiös zu diagnostizieren, sondern es geht um uns, die Gläubigen selbst. Wir sind aufgerufen Mitten in der Welt Früchte unseres Glaubens zu bringen. Wir sind aufgefordert, das woran wir glauben, auch umzusetzen in unserem Leben. Denn es gibt nichts Schlimmeres als eine theoretisch gläubige Christenheit, die in der Praxis nur dazu da ist, dem „Boden seine Kraft zu nehmen“. Der Weinbergbesitzer fordert seinen Gärtner auf, diesen fruchtlosen Feigenbaum umzuhauen. Es ist schade um die Energie, die er abzapft.

 

Genau an dieser Stelle offenbart sich die barmherzige Seite Gottes. Der Evangelist Lukas schildert uns Jesus Christus durchwegs als den Heilenden, der das Schwache aufrichtet. Er, der göttliche Gärtner, wirft sich für diesen Feigenbaum in die Bresche und ersucht um Aufschub. Er will Zeit nutzen, um den harten erstarrten Boden, der den Feigenbaum blockiert, umzugraben. Das Bild der Bodenauflockerung wird noch ergänzt durch das Bild der Düngung. „Lass mich den Boden um ihn aufgraben und düngen!“, heißt es. Hier kommt die neue und zusätzliche  Kraft von oben dazu. Die Düngung ist für mich die Auswirkung des Heiligen Geistes; die in der Lage ist, auch altes Erstarrtes neu zu beleben.

 

Das heutige Evangelium offenbart sich also als höchst aktuell. Für mich persönlich, für meine Gemeinde und für die Kirche als Ganzes. Wir alle dürfen uns jetzt in der Fastenzeit erneut in die Pflege des Gärtners geben, der uns wieder auf Schwung bringen möchte. Und da wir keine Zierpflanzen in dieser Welt sind, sondern durch unser Leben Süße und Qualität in die Welt bringen sollen – wie Feigen eben – haben wir jetzt wieder erneut die Chance, durch die Kraft Gottes und das Wirken der Dreifaltigkeit… vielleicht doch noch Früchte zu bringen, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.