Erfüllte Zeit

08. 04. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Entdeckung des leeren Grabes“ (Johannes 20, 1 – 9)

von Dr. Regina Polak

 

 

Eine Frau ist im Johannesevangelium die erste Zeugin des zentralen Glaubensgeheimnisses christlichen Glaubens: Maria von Magdala begegnet dem Auferstanden und verkündet die Osterbotschaft: Jesus lebt!

 

Viele Legenden und Mythen ranken sich um diese geheimnisvolle Frau, die sich entgegen aller damaligen gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen selbstbestimmt und mutig zur Jesusnachfolge entschieden hat; vom Beginn der Jüngerbewegung an bis zum Kreuzestod Jesu und darüber hinaus. Wer war sie wirklich, die einzige Frau, die im Neuen Testament einen eigenständigen Namen hat und nicht über ihre Beziehung zu Männern definiert wird?

 

Die Neutestamentlerin Andrea Taschl-Erber hat Maria von Magdala ihre Dissertation gewidmet und sich auf die Suche nach den biblischen Wurzeln dieser Frau gemacht. Dabei zeigt sie, welche zentrale Stellung Maria in der Urkirche hatte. Ebenso wird aber an der Rezeptionsgeschichte dieser Frau in der kirchlichen Traditionsgeschichte symbolhaft deutlich, wie bald bereits durch männlich dominierte Weltdeutungen und patriarchale Machtinteressen der Beitrag von Frauen zum frühen Christentum verzerrt, vergessen und verschwiegen wurde. So wurde aus Maria von Magdala, einer selbstbewussten, mutigen und prophetischen Apostelin die erotische Sünderin, die quer durch die Wirkungsgeschichte als Projektionsfläche für abstruse Phantasien diente, die es ermöglichten, Frauen einerseits zu idealisieren, zugleich aber als Bedrohung für Männer geringzuschätzen und kleinzumachen.

 

Dabei lässt gerade der Lebens- und Glaubensweg Maria von Magdalas beispielhaft erkennen, was glauben konkret bedeuten:

Maria ist treu: Der neutestamentliche Befund zeigt, dass sie als einzige durchgehend erwähnte Zeugin Jesus vom Anfang der Jesusbewegung in Galiläa bis zu seinem Tod am Kreuz begleitet. Ihre Treue reicht dabei über den Kreuzestod hinaus: Maria ist die erste nachösterliche Jüngerin und verkündet den anderen Jüngern die Botschaft vom Auferstandenen.

 

Maria zeigt, wie sich das glauben Lernen an die Auferstehungsbotschaft vollzieht: Sie drückt sich nicht um Schmerz, Trauer und Verzweiflung, die der Tod Jesu bedeuten; sie nimmt das Gewicht des Todes ernst. Aber sie gibt die Hoffnung nicht auf und sucht ihn, ja, sie muss sogar erst lernen, ihn zu sehen – sie erkennt ihn zuerst gar nicht. Sie ist darauf angewiesen, dass er sich zu erkennen gibt.

 

Maria liebt Jesus. Nur wer liebt, erfasst, was der Tod eines anderen Menschen bedeutet und kann trotzdem nicht glauben, dass der Tod das letzte Wort hat. Anders als die Jünger weint Maria, als sie das leere Grab findet – weil sie es eben nicht glauben kann. Als sie ihn dann daran erkennt, wie er sie beim Namen nennt, darf sie ihn nicht festhalten, um sich seiner zu versichern – und glaubt trotzdem. Dies ist möglich nur jemandem, der liebt. Maria lehrt: An die Auferstehung glauben lernen kann man nur mit der Bereitschaft, angesichts des Todes Schmerz zu ertragen, und zugleich die Fähigkeit zur Liebe nicht zu verlieren. Dass es sich dabei um die Liebe einer Frau zu einem Mann handelt, ist bemerkenswert und wäre einer theologischen Betrachtung würdig.

 

Maria von Magdala ist so eine Identifikationsfigur des Neuen Testaments, deren Wichtigkeit man gar nicht überschätzen kann. Sie erinnert Männer und Frauen daran, welch bedeutsame Rolle, welch unverzichtbaren Anteil Frauen bei und an der Entstehung des Christentums und der Kirche hatten. Und sie ermutigt dazu, den Weg mit Jesus Christus engagiert, tapfer und treu zu gehen bis zur Auferstehung – nicht aus Pflicht, nicht aus Angst vor dem Tod; nicht aus weltanschaulichen Gründen -  sondern einzig aus Liebe zu Jesus.