Erfüllte Zeit

25. 03. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Jesus und die Ehebrecherin“ (Johannes 8, 1 – 11)

von Regens Nikolaus Krasa

 

 

Und? Schreien Sie vor Empörung? Sind Sie entsetzt?

Nein, nicht über das Verhalten der Menschenmenge im heutigen Evangelium. Nicht über die, die zusammengekommen sind, die Ehebrecherin zu steinigen. Denn eigentlich erfüllen die nur das Gebot der Schrift (ob das jemals konkret wirklich so ausgelegt wurde ist eine andere Frage). Sie handeln brav nach dem Gebot von Sünde und Strafe. Wer falsch gehandelt hat, der hat sich die entsprechende Strafe verdient (natürlich bleibt dann nochmals die Frage ob die Steinigung wirklich eine adäquate Strafe ist, aber darum geht es hier eigentlich nicht).

 

Nein, ich meine das Verhalten Jesu. Denn was er tut ist unerhört. Es spricht weder von Strafe, noch von Schuld. Er verlangt kein Schuldbekenntnis, keine Reue, nicht einmal eine Bitte. „Auch ich verurteile dich nicht“, ist, was er zunächst der Frau zu sagen hat. Keine Verurteilung, einfach ein Freispruch. Da handelt jemand falsch und alles was Jesus zu sagen hat ist: keine Verurteilung. Da zeigt die Schuldige keine Reue, bittet nicht um Vergebung, das einzige was Jesus zu sagen hat: keine Verurteilung.

 

Vermutlich aus diesem Grund war diese heutige Perikope der jungen Christenheit zu heiß. In den alten Handschriften des Johannesevangeliums findet sie sich nicht. Aus anderen Quellen wissen wir aber, dass diese Geschichte trotzdem in den Gemeinden zirkulierte. Vermutlich wurde sie im Osten der Christenheit erst etwa um 400 in das Johannesevangelium eingefügt.

 

Vergebung ohne Vorbehalt, ohne Hintergedanken. Maßlose Barmherzigkeit. Natürlich drängt sich bei uns sofort das „Aber“ Auf: da könnt’ ja jeder kommen. Man muss doch Grenzen setzen. Nur lieb sein allein reicht doch nicht.

 

Aus welcher Motivation handelt Jesus? Lässt sich aus der heutigen Perikope herausschälen, was der Grund seines eigentlich empörenden Verhaltens ist? Warum agiert er so gegen den Menschenverstand?

 

Da ist einmal eine sehr realistische Einschätzung des Menschen. Konkret: der Menschen, die sich zusammengerottet haben, die Frau zu steinigen. Zunächst einmal geschieht das durch ein Zeichen, dass Jesus setzt. Mit seinem Finger zeichnet er in den Staub. Erinnert er damit an den Propheten Jeremia, der schreibt: „in den Staub wird geschrieben, wer von dir, Gott, weicht“. Oder spielt Jesus an die Schöpfung des Menschen an, aus Erde, vom Ackerboden? Wenn das so ist, dann ist das Zeichen klar: schau erst einmal dich an, wer du bist, bevor du andere verurteilst.

 

Genau in dieselbe Richtung geht dann die Suggestivfrage Jesu an die Steiniger: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Klar ist, dass er nicht annimmt, dass einer von ihnen Sündenlos ist.

 

Damit durchbricht Jesus jenen Sündenbockmechanismus, der so oft in Gruppen abläuft, wenn ein Schuldiger gefunden ist. Durch die Bestrafung des Schuldigen versuchen sich die anderen von ihm und seiner Schuld zu distanzieren, sozusagen zu reinigen. Es tut einfach gut zu wissen, wo das Böse ist, und dass man selbst auf der Seite der Guten steht.

 

So gut wie du glaubst, bist du nicht… aber: ich verurteile dich nicht… die erste Motivation, die aus dem heutigen Evangelientext erkennbar ist.

 

Die zweite? Sie ist knapp und kurz im Schlusssatz Jesu verpackt. „Geh, sündige von jetzt an nicht mehr!“ Auf die realistische Einschätzung des Menschen, folgt die Hoffnung, die Jesus hat. Wer seine Barmherzigkeit, wer seine Liebe erfährt, dem erwächst daraus Motivation und Kraft, in Zukunft anders zu handeln. Weil er mich liebt, ohne Vorbedingungen, ohne wenn und aber, weil er mich liebt so wie ich bin, deshalb, und nur deshalb wächst in mir die Kraft zur Veränderung zum Positiven.