Erfüllte Zeit

29. 04. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Das Streitgespräch beim Tempelweihfest“ (Johannes 10, 27 – 30)

von Markus Hofer

 

 

„Ich und der Vater sind eins.“ Mit dieser Aussage endet das Evangelium des heutigen Sonntags. Das ist ein für uns inzwischen eher ungewöhnliches Bekenntnis. In Bezug auf die Mutter käme es uns vielleicht vertrauter vor: „Ich und die Mutter sind eins.“ Da fallen uns sofort die vielen Bilder von der Mutter Gottes mit dem Jesuskind ein. Das kennen wir aus unserer katholischen Bilderwelt und vermutlich auch aus den Familien.

Trotzdem heißt es aber: „Ich und der Vater sind eins.“ Jesus redet in allen Evangelien immer wieder vom Vater, nicht nur bei Johannes, wo diese Redeweise ganz zentral ist. Aber diese vielen Aussagen scheinen heute nicht mehr politisch korrekt zu sein. Die „Bibel in gerechter Sprache“ eliminiert oder neutralisiert durchweg die Rede vom Vater. Im heutigen Sonntags-Evangelium heißt es dann nur noch: „Ich und Gott sind eins.“ Das ist auf jeden Fall zumindest abstrakter, als wenn der Sohn vom Vater redet.

Die Autorinnen und Autoren dieser neuen Bibelübersetzung meiden gezielt das Wort „Vater“ außer in Kombination mit „Mutter“, weil mit der Rede von Gott als Vater die patriarchale Herrschaft begründet worden sei. Mit einigem Aufwand versuchen sie Jesu Sprechen vom Vater zu kaschieren und manchmal sind schon ordentliche Verrenkungen dabei, wenn z.B. die Rede ist vom „Mutterschoß des Vaters“ (Joh 1,18).

Es ist sicher unbestreitbar, dass gerade die Schriften des Alten Testaments durchweg patriarchalisch geprägt sind. Doch was heißt das? Heute wird es in feministischer Perspektive meist so gedeutet, dass es um einseitige Machtsicherung der Männer gegenüber den Frauen gehe. Man könnte aber auch andersherum sehen. Vielleicht wollte das Alte Testament aus den Männern gerade gute Väter machen – eben ganz nach dem Vorbild des Vaters im Himmel. Mutter wird man gleichsam von Natur aus, gute Väter zu sein, mussten die Männer erst lernen.

Beim abschließenden Gottesdienst nach einer Initiationswoche für Männer meinte der amerikanische Franziskanerpater Richard Rohr bei der Einleitung ins "Vater unser": „Jetzt beten wir jenes Gebet, bei dem schon viele schmunzeln, wenn wir es beten: Vater unser. Natürlich ist Gott nicht Mann oder Frau, nicht Vater oder Mutter. Er steht über den Geschlechtern. Aber war es nur Zufall oder nur historisch bedingt, dass uns Jesus so zu beten gelehrt hat? Ich glaube nicht. Die Vaterwunde ist universal. Wir finden es in allen Kulturen, dass Menschen zu wenig Zuwendung und Liebe vom Vater erfahren haben. Dass uns eine Mutter liebt, das kennen wir, das haben die meisten von uns erfahren. Darum beten viele Katholiken auch lieber zur Mutter Maria. Aber von einem Mann, von einem Vater geliebt zu werden, das ist uns schon viel weniger vertraut. Es ist aber nicht weniger wichtig. Darum beten wir jetzt ganz bewusst: ’Vater unser...’“

Pater Sporschill, der seit Jahren Straßenkinder in Rumänien betreut, erzählte, dass diesen elternlosen Kindern gerade das „Vater unser“ besonders am Herzen liege, eben aus Sehnsucht nach einem eigenen Vater. Auch bei uns redet man von einer vaterlosen Gesellschaft. Verstärkt durch die hohe Zahl an Trennungen oder Scheidungen ist das für viele Kinder ganz aktuell. Die Sehnsucht von Söhnen wie Töchtern nach ihren Vätern ist groß. Manche Väter ahnen nicht einmal, wie wichtig sie wären. Darum ist es Trost und Herausforderung zugleich, wenn Jesus im heutigen Evangelium sagt: „Ich und der Vater sind eins.“