Erfüllte Zeit

17. 05. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

„Die Erscheinung des Auferstandenen in Jerusalem“

(Lukas 24,46 – 53)

von Diözesanbischof Dr. Egon Kapellari, Graz-Seckau

 

 

Vierzig Tage nach Ostern feiert die Kirche das Fest Christi Himmelfahrt. Gefeiert wird da nicht ein von Ostern zeitlich getrenntes Ereignis, sondern eine Dimension des Osterereignisses selbst.

Zwar schließt das Lukasevangelium mit einer Erzählung von der Erhebung des auferstandenen Christus in den Himmel vor den Augen der Jünger (Lk 24,50-53); und die Apostelgeschichte beginnt mit einer solchen Erzählung (Apg 1,9-11) und spricht davon, dass der Herr den Aposteln „nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt (hat), dass er lebt“ und dass er ihnen „vierzig Tage hindurch“ erschienen ist (Apg 1,3). Christus erscheint aber nach Ostern den auserwählten Zeugen (Apg 10,41) schon immer vom Himmel her. Mit der Auferstehung ist er schon im Himmel. Das Ende der Erscheinungen des Auferstandenen vor den Jüngern und anderen Zeugen ist kein Abschied Christi von der Erde, von der Kirche. Er ist weiterhin „im Himmel und auf Erden“.

 

Dieses biblische Reden vom Himmel erscheint heute vielen Menschen wie ein Märchen: zu schön, als dass es wahr sein könnte, oder gar eine Beleidigung der Vernunft. Himmel ist aber in der Sicht des Glaubens kein Begriff der Geographie, der Astrophysik, der Raumfahrt, sondern eine persönliche Beziehung. Himmel ist die vollendete Beziehung des Menschen zu Gott. Darum hat der Kirchenvater Augustinus über das verheißene ewige Leben gesagt: „Gott selbst wird unser Ort sein.“ Augustinus hat damit alle Spekulationen über das Wo und das Wie himmlischer Existenz beiseite gelassen und wollte solche Spekulationen vielleicht sogar zurückweisen.

 

Himmelfahrt Christi bedeutet, dass der menschgewordene ewige Sohn Gottes seine menschliche Natur erhoben hat in eine ewige Beziehung liebender Selbstübereignung an den Vater. Damit hat er einen „Raum“ geschaffen, der allen Menschen offen steht, die glaubend und liebend zu ihm gehören. Damit hat er „das Reich der Himmel“ aufgetan. In den Abschiedsreden des Johannesevangeliums hat Jesus den Jüngern den Himmel verheißen mit den Worten: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen ... Ich gehe hin, um einen Platz für euch vorzubereiten“ (Joh 14,2).

 

Mit der Auferstehung Jesu und in seiner Himmelfahrt, die als ein Aspekt an dieser Auferstehung zu verstehen ist, beginnt der Heimweg der Schöpfung, die sich von Gott entfernt hatte, zu Gott. Das Ziel wird erreicht sein, wenn Gott alles in allem sein wird. Ein Traum davon liegt wohl allen Menschen in der Seele, und es ist eine Kränkung tiefster Hoffnungen, diesen Traum zur Illusion zu erklären. Es mag zwar schwer sein, daran zu glauben, aber es ist auch schwer nicht daran zu glauben, wenn man der radikalen Folgen eines solchen Nichtglaubens einmal ansichtig geworden ist.