Erfüllte Zeit

10. 06. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Auferweckung eines jungen Mannes in Nain“ (Lukas 7, 11 – 17)

von Pfarrer Hans-Peter Premur

 

 

Ich befehle Dir junger Mann, steh auf! So ruft uns heute Morgen Jesus im Lukasevangelium zu. Vielleicht liegen sie ja noch im Bett, oder sind noch nicht ganz munter, obwohl sie schon aufgestanden sind – Vielleicht sind sie nicht gerade solch ein junger Mann, höchstwahrscheinlich nicht, weil man diesen ja nachsagt, dass sie um diese Zeit noch zu schlafen pflegen – oder sie sind gar nicht männlichen Geschlechtes. Dennoch ist dieses Wort Jesu laut ausgerufen über den heutigen Sonntag und über die heutige Christenheit.

 

Alles was frohe Botschaft, eben Evangelium ist, gilt für uns alle, egal wie alt wir sind und zu welcher Zeit wir leben. Deshalb heißt aufstehen hier nicht, sich im alltäglichen Sinn vom Schlaf zu erheben, um den Tag zu beginnen, sondern meint hier ein spirituelles Geheimnis.

 

Meister Eckehart, der für viele schwer verständliche Mystiker des 14. Jahrhunderts, hat dieser Totenerweckung des Jünglings von Nain große Bedeutung zu gemessen. Damals hat man keine naturwissenschaftlichen Beweise für die Wunder Jesu gesucht – das ist erst viel später gekommen – damals suchte man den tieferen Sinn der Schriftworte und versuchte, spirituelle Hintergründe zu erahnen. Der Ruf „Ich befehle dir junger Mann, steh auf!“ ist nach Meister Eckehart und der gesamten deutschen Mystik, wie diese Bewegung damals genannt wurde, ein innerseelisches und spirituelles Ereignis, das als geistiges Erwachen verstanden wurde. Nicht das physische Aufwachen, oder gar das echte Aufstehen von der Totenbahre ist gemeint, Sondern das Aufwachen der Seele zu Gott hin. Mit den Worten Eckeharts zu sprechen: Gott gegenüber nicht taub sein, weil einem die Dinge der Welt zu sehr in den Ohren dröhnen oder am Herzen liegen, sondern die mystische Realität, das Einwohnen Gottes in der Seele ernst zu nehmen, und dies als Triebfeder zum religiösen Leben zu erfahren.

Sicher glaube ich heute, dass Jesus Wunder getan hat. Dass er Kranke heilte, Brot vermehrte und Tote auferweckte. Aber was nützt mir der Glaube an ein wundersames historisches Ereignis, wenn ich nicht selbst die Kraft, von der im Text die Rede ist, am eigenen Leib oder besser noch in der eignen Seele erfahre.

Ist es nicht so, dass wir alle manchmal durch Sorgen und Nöte Krankheiten und Krisen so gebeutelt werden, dass wir von den Ereignissen regelrecht erschlagen werden. Dass unser Innenleben sich dann so anfühlt, als wären wir tot. Tot gegenüber dem waren Leben, der Freude, der Liebe und sogar manchmal dem Glauben. So als ob unsere Hoffnungen wie der Jüngling von Nain schon auf der Bahre sind und zu Grabe getragen werden. Genau in solchen Momenten können die Jesusbegegnung und das Auferstehungserlebnis stattfinden. Denn Christus ruft nicht nur im Text der Bibel, sondern wie aus unserem eigenen Inneren heraus uns zu: „Ich befehle dir, steh auf!“

 

Auch ich habe selber solche Erlebnisse schon gehabt. Wo mich in der Verzweiflung und des spirituellen Todseins eine lebendig machende Kraft ergriffen hat. Wenn das passiert, dann ist es so, als ob ein toter junger Mann seiner Mutter zurückgegeben wird. Im übertragnen Sinn bedeutet dies, dass ich nach so einem Moment des Aufstehens wieder neue Lust bekommen habe, mein religiöses Leben in der Mutter Kirche weiter zu führen.

 

Lassen wir deshalb den heutigen Befehl Jesu in unserem Inneren Erschallen und tragen wir unseren Glauben und unser Engagement in der Kirche nicht zu Grabe, sondern stehen wir in Gottes Namen auf.