Erfüllte Zeit

01. 07. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die ungastlichen Samariter - Entschlossen sein für das Reich Gottes“

(Lukas 9, 51 – 62)

von Veronika Prüller-Jagenteufel

 

 

Maria war Sekretärin gewesen, als sie zu dem Engagement fand, das seither ihr Leben prägt. Es war im Rahmen der Aktion „Land der Menschen“, die sich vor ein paar Jahren um verbesserte Integrationsmaßnahmen bemühte. Maria organisierte damals einen Deutsch-Kurs für Türkinnen und als Not an der Frau war, begann sie auch gleich selbst zu unterrichten. „Ich hab da etwas gefunden, wofür mein Herz schlägt,“ hat sie mir einmal erzählt. Als ich das letzte Mal von Maria hörte, hatte sie ihren sicheren Job aufgegeben, um sich ganz der von Jahr zu Jahr gewachsenen Initiative widmen zu können. Sie hat nicht mehr zurückgeschaut, sondern einen Sprung gewagt – aus Leidenschaft für ihr Projekt und in großem Vertrauen.

 

Ich mag diese Geschichte: Da ist eine Frau dem gefolgt, was sie als ihren Auftrag erkannt hat, und hat sich dabei von ihrer Leidenschaft, von der Freude an der Sache und auch von ihrem eigenen tiefen Wunsch nach einem erfüllten Leben leiten lassen – obwohl es vielleicht „vernünftiger“ gewesen wäre, auf der sicheren Seite zu bleiben...

 

Diese Entschlossenheit und diese Leidenschaft habe ich auch in der heutigen Bibelstelle wiederentdeckt. Leidenschaftliche Entschlossenheit scheint mir ein Strang zu sein, der die verschiedenen Themen verbindet, die in dieser Perikope angesprochen sind: Da ist der Entschluss Jesu, nach Jerusalem zu gehen („sein Angesicht ist fest auf den Weg nach Jerusalem gerichtet“, heißt es wörtlich), auch wenn das Ablehnung einbringt; da ist die leidenschaftliche Wut der Jünger und ihre scharfe Zurechtweisung durch Jesus; da ist die Erinnerung daran, dass es einen klaren und festen Entschluss braucht, wenn sich jemand Jesus anschließt.

 

Ich lese in all dem die Einladung, sich vertrauensvoll der Leidenschaft für Gott zu überlassen und sich ohne Vorbehalte dem Reich Gottes zur Verfügung zu stellen. Nachfolge ist offenbar nichts für Halbherzige. Was für die Nachfolge oder, wie es hier heißt, für den Dienst am Reich Gottes qualifiziert, das ist kein besonderes Wissen oder Können, sondern eben der wirklich feste Entschluss, mit dem jemand sich bereit macht. Den Jünger, der kommt und mitziehen will, fragt Jesus nicht: Was kannst du Besonderes? Oder bringst Du vielleicht viel Geld mit oder gute Beziehungen? Nein, Jesus führt ihm noch einmal vor Augen, worauf er sich da einlassen will. Jesus sagt: Das ist ein Weg, der immer weiter geht. Da gibt es kein Basislager, keinen sicheren Hafen. Es heißt, immer unterwegs zu sein. – Und der Nachfolgewillige muss nun überlegen, ob er wirklich dazu bereit ist. Wer sich auf Jesus, auf die Nachfolge einlässt, betritt einen Weg, der nicht aufhört, und lässt sich ein auf eine starke Dynamik, die immer wieder neuen Aufbruch bedeuten wird, die Bequemlichkeiten durchkreuzt und das Bedürfnis, sich einzunisten – an einem Ort, aber auch in Gewohnheiten und Plausibilitäten, in einem schön eingerichteten Leben ohne Überraschungen. Auf dem Weg Jesu geht das nicht.

 

Die beiden anderen, die Jesus von sich aus anspricht und einlädt in seine Nachfolge, die haben ähnliche Vorbehalte. Sie wollen zwar im Prinzip Gutes und Richtiges tun – Tote begraben, sich verabschieden – aber Jesus scheint vor allem ihr Zögern zu hören, ihr „aber“. Ich finde so ein Aber verständlich, denn sich wirklich ganz hineinzubegeben in diese Nachfolge, sich einzulassen auf diese Dynamik, das ist keine Kleinigkeit; das geht nicht en passant. Für diesen Weg ist irgendwann eine klare Entscheidung, ein fester Entschluss gefordert: wie bei dem Kursprojekt mit den türkischen Frauen, für das sich Maria dann ganz entschieden hat.

 

Und auch Jesus geht sozusagen aufs Ganze, wenn er sich auf den Weg nach Jerusalem macht: ins Zentrum der Macht. Und das wird ihm übel genommen. Ein Dorf nimmt ihn nicht auf. Vielleicht wollen die Leute einfach keine Scherereien bekommen, haben sie doch als Samaritaner ohnehin genug Zores mit der Zentrale. Vielleicht ist ihnen Jesus mit der Orientierung auf Jerusalem hin auch zu klar jüdisch und mit den Juden wollen sie nichts zu tun haben. Jesus geht mit seinem Entschluss das Risiko ein, abgelehnt zu werden. Leidenschaft muss auch mit Widerstand rechnen.

 

Aber zugleich macht Jesus völlig klar, was der leidenschaftliche Entschluss für Gott nicht bedeuten darf: keine zerstörerische Aggression, keine Rache – der Prophet Elia, auf den hier angespielt wird, wenn die Jünger Feuer vom Himmel fallen lassen wollen, dieser Elia war wenig zimperlich im Umgang mit seinen Gegnern. Jesus setzt hier deutlich andere Maßstäbe: Er richtet seine Leidenschaft nicht gegen andere.

 

Nachfolge heißt, dass sich Menschen leidenschaftlich und mit ganzer Kraft in Anspruch nehmen lassen – von dem, wo jede und jeder merkt: Dafür schlägt mein Herz, hier zieht und lockt es mich, mich ganz zu investieren. Jesus fordert dazu heraus, sich dafür dann klar zu entscheiden, einen festen Entschluss zu fassen und dieser leidenschaftlichen Dynamik zu vertrauen. Mag sein, es kostet das Aufgeben gewohnter Sicherheiten, aber es bringt wohl eine neue Erfahrung von erfülltem Leben. Wer sich mit Leidenschaft dazu entschließt, diese Fülle zu leben und sie mit anderen zu teilen, die und der taugt für das Reich Gottes.