Erfüllte Zeit

08. 07. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Aussendung der 72 Jünger - Vom Satan und dem Reich Gottes“

(Lukas 10, 1 – 12. 17 – 20)

von Veronika Prüller-Jagenteufel

 

 

Vom Satan, von Dämonen und Geistern ist in dieser Bibelstelle die Rede – und vom Reich Gottes, das nahe gekommen ist. Zweiteres scheint als Thema in einer Predigt ja sehr geläufig, aber das Erste? Die „Mächte und Gewalten“ und auch der Teufel werden selten behandelt; zu sehr scheinen solche Vorstellungen einem aufgeklärten und vernünftigen, vor allem aber einem befreienden und belebenden Glauben entgegen zu stehen.

 

Und doch bleib ich an diesem Satan hängen beim Lesen dieser Bibelstelle; besser an der Spannung zwischen Satan und Reich Gottes. Dabei ist es so heikel über den Teufel zu reden. Es wurde so viel grober Unfug getrieben mit der Rede vom Teufel, so vielen wurde eine falsche Angst eingeredet, zu viele wurden traumatisiert, weil ihnen Besessenheit unterstellt wurde. Und das nicht nur früher einmal.

 

Eine Frau, deren geistliche Begleiterin ich sein darf, trägt heute noch schwer an den Wunden, die ihr im Zusammenhang mit einer solchen schlechten und schrecklichen Theologie geschlagen wurden.

 

Vielleicht bleibe ich deswegen beim Lesen dieser Bibelstelle beim Teufel hängen, weil diese Frau mir dazu viele Fragen gestellt hat; und vielleicht, weil ich im Gespräch mit ihr immer wieder übe, die Realität des Bösen in unserer Welt wahr- und ernstzunehmen und zugleich sie aus dem festen Vertrauen heraus anzuschauen, dass sich letztendlich nicht das Böse, sondern das Heil als machtvoll erweist – dass eben der Satan wie ein Blitz aus dem Himmel gefallen ist: Das war zur Zeit Jesu ein geläufiges Bild dafür, dass Gott die Macht des Bösen bricht und beendet.

 

In der Bibelstelle bietet Jesus den 70, die da unterwegs gewesen waren und erstaunliche Erfahrungen gemacht haben, dieses Bild quasi als Erklärung an. Jesus scheint ihnen damit zu sagen: Was ihr da erlebt: dass Heilung geschieht, dass ihr Gutes bewirken könnt, dass euer Reden und Tun andere aufleben lässt, das heißt, dass die Herrschaft des Bösen zuende und Gottes Reich da ist. Das, was ihr den anderen gesagt habt: das Reich Gottes ist nahe – das stimmt wirklich und ihr selbst habt es erlebt.

 

Sogar dort konnten die Abgesandten Jesu das erfahren, wo sie sich Kräften gegenüber sahen, die ihnen anders als die eines Menschen zu sein schienen.

 

Viele Krankheiten wurden damals dem Wirken von Dämonen zugeschrieben, insbesondere solche, die wir heute als psychische Erkrankungen diagnostizieren würden. Dämonen und der Teufel wurden als Realitäten angesehen, deren Wirkungen erlebbar sind.

 

Vor allem angesichts brutaler Gewalt, die Menschen anderen antun, kommt mir auch im 21. Jahrhunderts dieser Gedanke an eine Macht des Bösen und an destruktive Kräfte, die das Menschliche übersteigen; an Mächte, die in denen wirksam bleiben, die als Opfer der Gewalt anderer ausgeliefert waren. In den seltensten Fällen wird da heute ein Exorzismus angeraten sein, viel eher geht es um lange Heilungswege, auf denen nach und nach neues Vertrauen in andere Menschen und in das Leben insgesamt wachsen kann. Dabei zu helfen, ist heute eine der Formen, wie gezeigt und erfahrbar gemacht werden kann, dass das Reich Gottes da ist.

 

Vielleicht sind einige von diesen 70, die Jesus wie Schafe unter die Wölfe schickt, heute dort zu finden, wo therapeutisch oder seelsorglich Menschen begleitet werden, die Opfer von Gewalt wurden.

 

Eine erfahrene Therapeutin hat mit einmal erzählt, dass sie auch bei Opfern von frühem schwerem Kindesmissbrauch fast immer einen tiefen Kern der Persönlichkeit entdecken konnte, der im Letzten unzerstört geblieben war und aus dem heraus die Kraft kam weiterzuleben und Lebensmut und sogar Lebensfreude zu finden.

 

Auch diese Therapeutin konnte sehen, dass die Macht des Bösen im Letzten gebrochen ist. Wo im Vertrauen darauf Leben möglich wird, da hat das Reich Gottes schon begonnen. Und das gilt auch in weniger schweren Fällen – im Grunde überall da, wo Menschen einander gut beistehen.

 

Am Ende der Bibelstelle gibt es aber noch eine Mahnung: „Freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen, sondern freut euch, dass euere Namen im Himmel verzeichnet sind.“ Nicht die mehr oder weniger spektakulären Erfolge der Zuwendung zu anderen sollen für die Abgesandten Jesu im Zentrum stehen, sondern ihr eigenes Bemühen, sich tief in Gott zu verankern und aus dieser Quelle zu schöpfen. Wenn jemand aufatmen konnte, sich wieder mehr als Mensch spüren, wenn Versöhnung möglich wurde, neuer Lebensmut sich einstellte, eine abgebrochene Beziehung wieder aufgenommen werden konnte – wenn also das Reich Gottes unter uns konkret erfahrbar wurde, dann gilt die Freude nicht primär dem, was wir tun konnten, sondern dem Segen Gottes, den wir empfangen haben.

 

Und so bin doch beim Reich Gottes und seinem Segen gelandet, auch wenn mich der Teufel zuerst aufgehalten hat. Auch in der geistlichen Begleitung ist das manchmal so: dass wir zuerst am Schlimmen hängen bleiben, bis uns doch der unzerstörte Segen aufnimmt.