Erfüllte Zeit

01. 01. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Das Beispiel von der falschen Selbstsicherheit des reichen Mannes“ (Lukas 12, 13 – 21)

von Prof. Leopold Neuhold

 

 

Ist es wirklich so schlimm vorzusorgen, wie es der Mann im Gleichnis tut? Es gibt ja im Menschen einen Zug, der auf Sicherheit hin zielt. Ohne Sorge zu sein, wer hat nicht diesen Wunsch? Und dazu braucht man auch eine materielle Ausstattung. Bezeichnenderweise heißt es ja: „Geld macht nicht glücklich, aber es beruhigt.“ Es muss für den Mann im Gleichnis ein beruhigendes Gefühl gewesen sein zu wissen, eine gute Ernte erwarten zu können, seine Scheunen vergrößern zu müssen, um all das Getreide unterzubringen, sozusagen ausgesorgt zu haben.

 

Oft wird in kirchlichen Kreisen abschätzig über Eigentum und Besitz geredet. Noch heftiger wird die Rede mitunter in Bezug auf Reichtum. Kann ein Reicher gerettet werden? So lautet ja eine Frage, die in der Tradition immer wieder gestellt wurde. Reichtum und Eigentum sind aber nicht von vornherein schlecht, sondern mit ihnen sind viele Entfaltungsmöglichkeiten gegeben. Wenn zwischen Habensstatus und Seinsstatus unterschieden wird, und das zu Recht, so darf über diese Unterscheidung nicht vergessen werden, dass es gut ist, etwas zu haben, um jemand zu sein. Auch im Besitz kann man sich entfalten. Ich wende mich deswegen immer wieder gegen eine Diffamierung des Habens.

 

Gegen das Haben wendet sich das Gleichnis von der falschen Selbstsicherheit des reichen Mannes nicht. Es geht um den falschen Glauben, mit materieller Absicherung alles zu haben. Dazu kommt, dass mit dem Materiellen sind oft Verschließungstendenzen verbunden sind, die den Blick auf das Ganze des Lebens verstellen. Noch einmal: Materielles und materielle Sicherheit sind sehr wichtig, es ist aber problematisch, wenn das Materielle alles wird. Der gute Mann im Gleichnis glaubt, alles zu haben. Aber was ist alles?

 

Ein Vater redet mit seinem Sohn. Das Gespräch wird immer heftiger. Schließlich wird es dem Vater zu viel, und er gibt seinem aufmüpfigen Sohn zu bedenken: „Was willst Du, Du hast ja alles.“ Darauf der Sohn: „Vater, wann das alles ist, was ihr mir gebt, muss es mehr geben als alles.“

 

Dieser Blick auf das „mehr als alles“ kann den Verschließungstendenzen, die mit dem Materiellen verbunden, wehren. Materieller Reichtum führt nur zu leicht dazu, sich vor den Anderen zu verschließen, weil mit der Tendenz, immer mehr zu wollen, ein Gefühl der Gefährdung des Reichtums verbunden ist, was dann zur Verengung führt. Besitz kann nämlich zur Besessenheit werden, die sich darin äußert, dass nicht mehr ich besitze, sondern besessen werde. Es wäre interessant, Besessenheit in der Bibel auf dem Hintergrund dieser Tatsache zu interpretieren.

 

Besitz kann also den Blick auf den Nächsten und auf Gott verstellen, weil er dazu führt, dass der Mensch alles von sich selbst erwartet, er von seinen Möglichkeiten, die dann zu Hindernissen werden, besessen wird. Sie besitzen, als besäßen sie nicht, so kann man eine Stelle aus dem ersten Korintherbrief frei übersetzen. Dieses „Besitzen, als besäßen sie nicht“ kann vor Verschließungen bewahren, die Vergötzungen gleich kommen. Götzen beherrschen den Menschen, anstatt ihn frei zu machen. Im richtigen Umgang mit dem Besitz kann sich der Mensch Freiheit verschaffen, weil er die Abhängigkeit von anderen reduzieren kann. Dazu muss man aber den Besitz in den Beziehungen sehen, die ihn vor der Verabsolutierung bewahren.

 

Eine dieser Beziehungen wird im Gleichnis angesprochen: die Beziehung auf einen Grund, der wahre Sicherheit geben kann. Besitz ist vorläufig, und es ist problematisch, wenn er den Blick auf das Ewige verstellt. Besitz ohne die Vorzeichen der Vergänglichkeit führt zur falschen Sicherheit, zum Setzen auf falsche Gewissheiten. Dies aber sind vorgebliche Gewissheiten und entmenschlichende dazu, weil sie sich nur auf die Gegenwart beziehen. Solches entmenschlichende Leben nur in der Gegenwart hat Erhart Kästner mit dem Bild des „Hundes in der Sonne“ illustriert. Er schreibt: „Es gibt einen wunderbaren Satz von Seneca: ›Calamitosus animus futuri anxius, tief unglücklich die Seele, die sorgend die Zukunft bedenkt.‹ Wer die Zukunft bedenkt, ist nicht glücklich. Aber sorgend die Zukunft zu bedenken ist menschlich. Es ist eine Wahrheit ersten Ranges, mit der gelebt werden muss: Erst der Blick auf das Ungewisse, die ängstliche Sorge, die Vorschau, die Hoffnung an der Schwelle der Sorge, die Angst vor der Zukunft, erst da beginnt, was den Menschen auszeichnet. Ohne Bedenken der Zukunft, das ist der Hund in der Sonne.“ Dieser Hund in der Sonne ist in vielen Bewegungen zum großen Versprechen geworden.

 

Ebenso problematisch ist es aber auch, wenn die Angst durch vorgebliche Gewissheiten, die gar nicht gewiss sind, bekämpft wird. Beiden Versuchungen kann gewehrt werden, wenn Gott an die Stelle des Götzen Besitz gesetzt und damit der Mensch wahrhaft frei wird!