Erfüllte Zeit

12. 08. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Vom wahren Schatz“

(Lukas 12,32 – 48)

von Prof. Wolfgang Langer

 

Wir haben uns eingerichtet in dieser Welt. Was sollten wir auch sonst tun? Was haben wir denn außer „dieser Welt“? Wir haben unser Haus, unsere Familie, unsere Position im Beruf, unser Einkommen, einen lieben Freundeskreis, ein festes Ferienquartier im Ausland...

Was brauchen wir denn sonst noch? Natürlich Gesundheit und einigermaßen stabile politische Verhältnisse. Aber da hakt es schon. Das kann uns niemand garantieren. Da ist die Zukunft dunkel und unberechenbar. Jederzeit kann uns eine tödliche Krankheit ereilen, und wer weiß schon zu sagen, was nach den nächsten Wahlen sein wird?

Und dann das: „Verkauft eure Habe und gebt den Erlös den Armen!“ Einfach weggeben, was wir uns mühsam erarbeitet haben? Aber wir haben schon etwas bekommen: „Euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.“ Die Zusage Jesu ist, dass wir Anteil erhalten am Leben Gottes selbst, getragen und umfangen sind von seiner ewigen Liebe. Das klingt zwar gut, aber ehrlich gesagt ein bisschen zu fromm. Und es ist so weit weg von den handfesten Dingen unserer Alltagswelt. Kann es sein, dass die uns zu sehr im Griff haben, uns beherrschen wollen und den Blick verstellen auf andere, größere Möglichkeiten unseres Lebens? Dann müssen wir uns wohl so gut wie möglich davon frei machen, Abstand gewinnen, besser: uns von diesem Jesus befreien lassen. Nicht am irdischen Besitz kleben, sondern damit auch Gutes tun und so einen „Schatz im Himmel“, eine Aufenthaltsgenehmigung in seinem „Reich“ erwerben. Darauf kommt es doch wohl an, wenn unser Leben beim Hinaussterben aus „dieser Welt“ nicht im Nichts enden soll.

„Legt euren Gürtel nicht ab und lasst eure Lampen brennen. Seid wie Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten.“ Er hat eine Verheißung, aber nichts, das ihre Erfüllung sicher machte: kein Anzeichen, kein Vorschein jener anderen Wirklichkeit. Ausharren im nackten Vertrauen auf das Wort Jesu: Das ist die Gestalt der christlichen Hoffnung.

Immerhin: Ihn kennen wir. Aus den Zeugnissen seiner damaligen Zeitgenossen, seiner „Jünger“, die uns in den Evangelien aufbewahrt sind. Er ist ein „Rückkehrer“. Er war schon einmal da: als Mensch unter Menschen. Wenn er wiederkommt, wird er derselbe sein – und doch ein ganz Anderer. Wir werden ihn wiedererkennen – und doch werden wir ihn so sehen, wie wir ihn jetzt glauben: als den Sohn Gottes.

Und auch wir selbst werden dieselben und doch anders, andere sein. Denn wir erwarten „einen neuen Himmel und eine neue Erde“ (Offb 21, 1). Was wir sind: Kinder Gottes, wird erst mit seinem Kommen offenbar werden. Wer im Glauben hofft, begnügt sich nicht mit dieser vergänglichen Welt. Er / sie sehnt sich nach dem, was verheißen ist: nach dem Reich, nach der vollendeten Herrschaft der Liebe Gottes. Sie hat schon begonnen, ist da und dort spürbar mitten in „dieser Welt“. Dort nämlich, wo immer Menschen sich in ihrem Handeln von selbstloser Liebe leiten lassen. Aber ihre Vollendung steht noch aus. Glaubende und hoffende Menschen sind hier und jetzt Handelnde und Leidende, zugleich aber Menschen im Wartestand.