Erfüllte Zeit

15. 08. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Der Besuch Marias bei Elisabet“ (Lukas 1, 39 – 56)

 


„Höre, Israel. IHWH, unser Gott, IHWH ist ein Einziger. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ (Dtn 6, 4f). Das Hauptgebot Israels gilt auch den Christen. „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“ (Dtn 5, 7). Wenn der eine Gott allein Gott ist, dann kann neben ihm sonst niemand so angebetet und verherrlicht, geliebt und verehrt werden.

Die katholische Marienfrömmigkeit scheint dem zu widersprechen. Zwar darf Maria nach kirchlicher Lehre nicht angebetet werden, aber ihre Verehrung als „Königin des Himmels“ erreicht in verbreiteten Gebeten und Liedern, in Wallfahrten und Prozessionen häufig einen solchen Grad, dass sie von Anbetung kaum noch zu unterscheiden ist. Für viele besteht die volkstümliche „Dreifaltigkeit“ aus dem Vater, dem Sohn und seiner Mutter Maria.

„Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“ So demütig begrüßt Elisabeth ihre Verwandte. Damit wird die Bedeutung Marias, ihre Stellung in der Geschichte Gottes mit den Menschen knapp und genau benannt: Sie ist die Mutter des Jesus von Nazaret. Und so ist sie zunächst einmal nichts anderes als eine Frau unter Frauen, ein Mensch wie du und ich. Aber unter Menschen genießt die Mutter eines großen Mannes, einer großen Frau eine gewisse Verehrung – allein aus dem Grund, dass sie dessen oder deren Mutter ist. Somit ist „Mutter des Herrn“ der eigentliche und einzige, nämlich biblische Ehrentitel Marias.

Davor steht in unserer Erzählung ein anderer Satz Elisabeths: „Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“ (Lk 1, 42). Er nimmt den Gruß des Engels bei der Ankündigung der Geburt Jesu auf: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“ (Lk 1, 28). Beide zusammen bilden den ersten Teil des „Ave Maria“, des bekanntesten und verbreitetsten Gebetes zu Maria. (Dort steht statt „gesegnet“ das aus dem Lateinischen abgeleitete Wort „gebenedeit“: von: benedicere = gut sagen, loben, segnen). Der zweite Teil erfleht die Fürbitte Marias „für uns Sünder“.

Echte, aus dem Evangelium begründete Frömmigkeit sieht in Maria gerade nicht die „glorwürdige Königin“, sondern die Mutter Jesu, die sich selbst als „Magd“ (eigentlich: Sklavin) des Herrn bezeichnet (Lk 1, 38). In der Passionserzählung des Johannesevangeliums sagt Jesus vom Kreuz herab zu dem „Jünger, den er liebte,“ mit Blick auf Maria: „Siehe, deine Mutter“ (Joh 19, 27).Wenn wir dieses Wort Jesu auf uns, seine Jünger, beziehen dürfen, dann ist die Mutter des Herrn auch uns zur Mutter gegeben. Das begründet keine Verherrlichung – die wäre schon eher pathologisch – sondern  (kindliches) Vertrauen. Ohne selbst vergöttlicht zu werden, fügt sie dem männlich geprägten Gottesbild (der Vater, der Sohn, der Heilige Geist) eine weibliche Komponente hinzu. Sie bleibt Mensch und ist uns so ganz nahe. Zugleich aber ist sie die „Begnadete“, die von Gott zur menschlichen Mutter seines Sohnes Erwählte. So kann sie mit einem kühnen Wort des Bischofs Kyrill von Alexandrien auf dem Konzil von Ephesus (381) „Mutter Gottes“ genannt werden-

Diese doppelte Nähe zu Gott und zu uns Menschen macht sie zur geborenen Fürsprecherin in unseren Lebensnöten bei Gott. Sie kennt die Ängste unseres irdischen, dem Tod verfallenden Lebens. Aber als seine menschliche Mutter hat sie auch eine Nahebeziehung zu ihrem göttlichen Sohn: „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.“