Erfüllte Zeit

26. 08. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Von der engen und von der verschlossenen Tür“ (Lukas 13, 22 – 30)

von Pfarrer Helmut Schüller

 

 

Sie klopfen an und rufen: „Herr, mach uns auf!“ Sie brauchen sich gar nicht mehr vorzustellen. Sie kennen doch den Hausherrn längst! Sie haben „ihn auf ihren Straßen“ predigen gehört. Und schließlich haben sie „mit ihm gegessen und getrunken“. Und das alles soll nicht reichen, um eintreten zu dürfen? Nein, es reicht nicht. Noch so lange Bekanntschaft kann trotzdem auf Distanz geblieben sein. Mit Jesus Bekanntschaft gemacht zu haben, heißt noch nicht, ihn wirklich kennen gelernt zu haben. Seine Lehre gehört zu haben, noch nicht, sie wirklich in sich aufgenommen zu haben. Mit ihm „gegessen und getrunken“ zu haben, noch nicht, mit ihm vertraut geworden zu sein. Sich von ihm verwandeln haben zu lassen. Die meinen, „drinnen“ zu sein, müssen feststellen, dass sie „draußen“ sind. „Draußen“ nicht erst jetzt; Vielleicht waren sie noch nie wirklich „drinnen“. Sie haben äußerliche Bekanntschaft mit Verbundenheit verwechselt, regelmäßigen Umgang mit Zugehörigkeit, Begegnungen – wenn auch noch so häufige – mit Verbundenheit. Wir können die Mahnung über die Zeit hinweg an uns nicht überhören. In dieser Gleichnisrede ist nicht nur von den Zeitgenossen Jesu in Palästina die Rede. Auch wir Christen, als die wir uns nach Jesus Christus bezeichnen, können dieser Täuschung aufsitzen. Dass der Besitz eines Taufscheins noch nichts mit einem Leben als Christin, als Christ zu tun haben muss, ist hinlänglich bekannt und sogar zur Redewendung geworden. Dass aber auch lange Vertrautheit mit dem Christentum – bei vielen von uns von Kindesbeinen an – noch nicht zur wirklichen Berührung mit der Botschaft des Evangeliums geführt haben muss, ist vielleicht schon weniger bewusst. Und erst recht nicht, dass die Teilnahme am christlichen Religionsbetrieb noch nicht zur wirklichen Gemeinschaft mit Jesus Christus und seinem Weg geworden sein muss. Auch wenn Kirchen und Religionsgemeinschaften immer in der Versuchung standen und stehen, Heilsgewissheit zu vermitteln, wenn man sich an ihre Gesetze und Praktiken hält. „Ich weiß nicht, woher ihr seid…Ihr habt alle Unrecht getan“, hält der Hausherr im Gleichnis den überraschten Anklopfern entgegen. Da ist er wieder, der zentrale Appell der biblischen Botschaft, der sich wie ein roter Faden durch die Bücher des Ersten und des Zweiten Bundes zieht. Glaube an Gott ist entweder alltäglich gelebt, oder er ist tot. Gottesdienst setzt sich in den Menschendienst des Alltags hinein fort, oder er wird zur Gotteslästerung. Weil das so ist, gibt es aber auch die umgekehrte Überraschung. Nämlich die Überraschung derer, die „von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen“ und „im Reich Gottes zu Tisch sitzen“ dürfen, - neben „Abraham, Isaak und Jakob und allen Propheten“. Sie haben nach dem Herzen Gottes gelebt, - vielleicht sogar, ohne ihn zu kennen. Ohne Geübtheit in Gottesdienstfeiern und Religionsbräuchen. Das jedem Menschen ins Herz geschriebene Recht Gottes ist in ihrem Leben zur Geltung gekommen. Sie werden Gott begegnen, als hätten sie ihn schon immer gekannt. Und sie haben ihn auch schon immer gekannt. Nur anders, als „Gott kennen“ üblicherweise verstanden wird. Sie werden vielleicht unsicher anklopfen, weil man ihnen oft das Gefühl gegeben hat, nicht dazuzugehören. Die Unsicherheit, die diese Worte Jesu in uns als Gottesdienste Feiernden und unserer Christengemeinde Verbundenen auslösen mag, ist schon ein Zeichen der Vertrautheit und nicht nur der Bekanntschaft mit dem, was Gott uns sagen will.