Erfüllte Zeit

07. 10. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Von der Macht des Glaubens“ (Lukas 17, 5 – 10)

von Regens Nikolaus Krasa

 

 

Kann man Glauben messen? In seiner Stärke? Wie bei einer elektrischen Spannungsquelle ein Messgerät anlegen. „Herr Pfarrer, wie viel Glauben habe ich heute?“ „Was zeigt das Gerät an?“

Oder muss man, mangels Messgerät, auf den guten alten Fragebogen zurückgreifen. Wie viel haben Sie vergangene Woche gebetet? 10 Minuten, 15 Minuten, eine Stunde. Wie viele Messen haben Sie besucht? Wie viel haben Sie gespendet, wie oft geholfen? Alle Punkte zusammengezählt ergeben dann meinen persönlichen Glaubenswert?!

 

Skurriles Szenario? Nicht weniger skurril als das Einstiegsbild in unser heutiges Evangelium. Was um alles in der Welt, soll es bringen, dass ein vom Glauben entwurzelter Baum im Meer weiter wächst? Fehlt diese Frage vielleicht noch auf dem persönlichen Glaubenstestbogen: „Wie viele Maulbeerfeigenbäume haben sie vergangene Woche entwurzelt?“ 0–1–5?

 

Dass unsere heutige Evangelienperikope auf den ersten Blick etwas skurril erscheint hat mehrere Gründe. Zum einen ist das Bild, das Jesus verwendet wohl bewusst pointiert, ja fast surreal, soll genau so seine Jünger provozieren. Der angesprochene Baum, Maulbeerbaum, sagte unsere Übersetzung, ist jedenfalls sehr groß und tief wurzelnd, eben nicht so einfach aus dem Boden zu bringen. Zum anderen wird die zweite Hälfte des Bildes dann irreal: ins Meer soll er gepflanzt werden. Wozu bitteschön? Dieser seltsamen Vermischung von Realem und Irrealem entspricht auch die Grammatik des Satzes. Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn (ein bekannt kleines Samenkorn, das zu einer großen Pflanze wächst – vielleicht haben sie das Gleichnis, das davon erzählt im Ohr), wenn ihr also Glauben habt wie ein Senfkorn: diese erste Hälfte ist grammatikalisch real formuliert. Jesus gesteht seinen Jüngern solch einen Glauben zu. Die zweite Hälfte des Satzes aber, „dann würdet ihr zum Maulbeerbaum sagen“, die ist irreal formuliert, also bereits von der Grammatik des Satzes her so, dass klar ist, das wird nicht funktionieren. Die Maulbeerbäume können aufatmen, sie bleiben stehen wo sie sind. Was aber soll dann dieses Bild bitteschön?

 

Zurück zum Beginn. Da war ja die Bitte der Jünger an Jesus: „Stärke unseren Glauben“. Und die ist so erstens nicht präzise übersetzt und daher missverständlich und hat zweitens einen konkreten Ausgangspunkt, den wir nicht gehört haben (den Abschnitt des Evangeliums vor dem heutigen), einen Ausgangspunkt ohne den es nicht geht.

 

Zum ersten: die Frage. Wörtlich übersetzt steht da: „gib uns Glauben dazu.“ D.h. wir haben Glauben, hätten aber gern noch ein bisschen mehr. Warum wohl? Oder wozu?

 

Dafür müssen wir zum zweiten gehen und noch einmal ins Evangelium schauen. Bevor unser Abschnitt mit der Bitte um Glaubensvermehrung einsetzt ging es ums Leben in der Jüngergemeinschaft, wahrscheinlich um die größte Herausforderung beim Zusammenleben der Menschen, um die Vergebung. Wenn dir in der Gemeinschaft der Jünger jemand was antut und um Vergebung bittet dann sollst du sie ihm gewähren und das siebenmal am Tag, in biblischer Sprache also immer.

 

Auf diese klare Aufforderung Jesu hin rutscht den Jüngern das Herz in die Hose und sie sagen: gib uns Glauben dazu, damit wir das schaffen. Ein Pluspunkt für die Ehrlichkeit der Jünger. Vergeben ist sauschwer.

 

Darauf Jesu – und jetzt sind wir wieder beim Bild vom Baum, das sich über sich selbst lustig zu machen scheint. Die zweite Hälfte können wir vergessen. Ein ins Meer verpflanzter Baum ist relativ unsinnig. Und sie ist auch – wir haben’s gesehen – grammatikalisch als irreal formuliert. Bleibt die erste, die real formulierte Hälfte: wenn dein Glauben so groß wie ein Senfkorn ist… und er ist es, sagt die Formulierung. Mehr noch: Jesus hat schon einmal im Lukasevangelium das Bild vom Senfkorn verwendet, so vom Reich Gottes gesprochen: ein Senfkorn, das, so klein es auch ist, zu einem Baum wächst.

 

Fassen wir zusammen: Heißt das als Antwort auf die Ausgangsfrage nach der Glaubensvermehrung ganz einfach: du hast den Glauben eh in dir. Gott hat ihn, wie ein kleines Senfkorn in dich hineingesäht. Und wenn dieser noch so klein ist, er wächst ohnehin? Und als Konsequenz: lebe ihn einfach, diesen Glauben, ohne dir große Sorgen zu machen, ob er jetzt zu klein oder zu schwach ist? Und wenn du andererseits meinst, dass dein Glauben ganz groß ist, dann bilde dir nichts drauf ein, denn er ist eben einfach gewachsen … davon erzählt übrigens die zweite Hälfte des heutigen Evangeliums, vom Sklaven, der sich auf seine Arbeit nichts einbilden soll…

 

Glauben, Beziehung zu Gott ist etwas Einfaches, das eingesenkt in uns wächst. Was da ist sollen wir leben.