Erfüllte Zeit

11. 11. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Ein Gott der Lebenden – Die Frage nach der Auferstehung der Toten“

(Lukas 20, 27 - 38)

von Prof. Wolfgang Langer

 

 

Heutzutage muss ein Mann nicht unbedingt sterben, um eine Witwe zu hinterlassen. Eine Scheidung tut’s auch. Und die danach neu eingegangenen Beziehungen schaffen die so genannten Patchwork-Familien – mit allen ihren Problemen. Denn keine Scheidung ist absolut. Zwischen den getrennten Partnern bleiben noch Bindungen bestehen: emotionale (meist negative), wirtschaftliche (meist sehr belastende, Stichwort: Unterhaltszahlungen), auch immer noch familiäre (der Kampf um die Kinder, Stichwort: Besuchsrechte).

 

Im Unterschied zur Erzählung des Evangeliums stellt sich die Frage, wer wie zu wem gehört nicht erst im Jenseits, sondern hier: mitten in diesem Leben. Und alle Betroffenen müssen auch schon hier, für dieses Leben einen Weg finden. Das ist nicht nur mühsam, es ruft auch neue Konflikte hervor, die die vorangegangenen noch einmal verschärfen können.

 

Die Sadduzäer, eine sehr einflussreiche Partei von jüdischen Gläubigen, „die die Auferstehung leugnen“, wollen mit ihrem Beispiel beweisen, dass die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod zu unlösbaren Konflikten und Widersprüchen führt. Sie kann also nicht wahr sein.

 

Zeigt die Antwort Jesu einen Ausweg? Sie lautet wörtlich: „Die an der Auferstehung von den Toten teilhaben, werden dann nicht mehr heiraten“. Sie „leben den Engeln gleich“ und sind „Söhne (und Töchter) Gottes geworden“. Was heißt das für uns? Müssen wir auf den Tod warten, weil sich erst dann alle Konflikte lösen? Das kann doch geschiedene Paare nicht davon entbinden, für ihre irdische Lebenszeit einen modus vivendi, eine lebbare Lebensform zu suchen.

 

Und doch ist die eigentliche Frage des Streitgesprächs die nach der Auferstehung, die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Und die kann für unsere skeptischen Zeitgenossen nicht mehr einfach mit den letzten beiden Sätzen des (apostolischen) Glaubensbekenntnisses beantwortet werden: „Ich glaube ... die Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen.“ Selbst viele, die bei Umfragen angeben, an Gott zu glauben, lehnen den Gedanken an ein Leben nach dem Tod ab.

 

Warum? Sie können es sich schlechterdings nicht vorstellen. Und die kirchlich Gläubigen? Haben sie eine plausible Vorstellung  von der „jenseitigen Welt“? Wohl kaum. Denn es gilt für alle: Solange wir in „dieser Welt“ leben, ist der Bereich Gottes für uns ein „unzugängliches Licht“ (1Tim 6, 16). Die Auferstehung von den Toten zu einem ewigen Leben ist dann also überhaupt eine zweifelhafte Sache? Wenn wir nur von unseren irdischen Erfahrungen ausgehen: Ja!

 

Aber Jesus führt noch ein zweites Argument an: Der „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“, also der längst verstorbenen Väter, ist „nicht ein Gott von Toten, sondern von Lebenden“. Und er verallgemeinert: „Alle leben ihm“. Die Hoffnung auf unvergängliches Leben hängt einzig und allein am Glauben. Das heißt aber: am ganz persönlichen Vertrauen auf den lebendigen und Leben schaffenden Gott. Er hat Jesus „von den Wehen des Todes befreit und auferweckt“ (Apg 2, 24). Bilder von „drüben“ gibt es nicht.