Erfüllte Zeit

18. 11. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Geduld: die Rückseite der Hoffnung – Die Rede über die Endzeit“

(Lukas 21, 5 - 19)

von Prof. Wolfgang Langer

 

 

Wie wird das enden? Was soll daraus werden? Was steht uns bevor? Solche oder ähnliche Frage stellen wir, stellen sich uns nicht so selten. Wir fragen damit nicht gleich nach dem Ende der Welt oder der Geschichte der Menschheit. Es geht um eher begrenzte, überschaubare Zeiträume: Werde ich von dieser Krankheit genesen? Werden wir diese Krise unserer Ehe überwinden? Wird unser Sohn, unsere Tochter das Studium, die Ausbildung erfolgreich abschließen?

 

Wer nach dem Ende fragt, fragt auch nach dem Sinn dessen, was ihm vorausgeht. Vor allem das letzte Ende, das noch in Reichweite unserer Erfahrung liegt, der Tod, scheint allem seinen Sinn zu rauben. Besonders deutlich ist das im „vorzeitigen“ Sterben von Menschen. Wenn der Tod nicht am erwartbaren Ende eines erfüllten Lebens steht, sondern hereinbricht in seine volle Blüte. Wenn schon Kinder hinweggerafft werden von Granaten und Bomben, von Erdbeben, Seuchen und Hungersnöten.

 

Das alles zählt Lukas nicht als Zeichen des nahen Weltendes auf. Es geschieht für ihn mitten in der Zeit, in der er und seine Gemeinde leben. Katastrophen aller Art  begleiten die Geschichte der Menschheit von ihren Anfängen an und bis zum heutigen Tag. Und immer auch sind Menschen wegen ihrer Überzeugungen von anderen verfolgt, vor Gericht gestellt, ins Gefängnis geworfen, gefoltert und getötet worden.

 

An Christus glauben, als Christ leben kann gefährlich werden – lebensgefährlich auch heute. Zur Zeit nicht gerade bei uns, aber an vielen anderen Orten der Erde. Und auch in Österreich sind es erst sieben Jahrzehnte her, dass Menschen als Märtyrer ihres Glaubens und Gewissens  gestorben sind. Franz Jägerstätter war nur einer von einer ganzen Reihe.

 

Wie sollen sich Christen angesichts jederzeit möglicher katastrophaler Ereignisse – auch in der eigenen Familie – verhalten? Und wie sollen sie denen begegnen, die sie wegen ihres Glaubens ablehnen, verachten, schmähen, benachteiligen usw.? Das sind ja die hierzulande verbreiteten Formen von „Verfolgung“ (in Anführungszeichen). Lukas gibt am Schluss eine lapidare Antwort: „In Geduld werdet ihr euch das Leben erwerben“ (so steht es im griechischen Text).

 

Das griechische Wort für Geduld bedeutet im ursprünglichen wörtlichen Sinn: darunter bleiben. Lukas mahnt also seine Brüder und Schwestern im Glauben zu ertragen, was nicht zu ändern ist. Aber damit meint er keine dumpfe Resignation, keine kampflose Kapitulation vor der Gewalt. Denn für den Fall der Verfolgung gibt er noch eine zweite Antwort: Denen, die gegen den Glauben und die Gläubigen kämpfen, muss Zeugnis gegeben werden. Christen können und müssen einstehen für ihr Vertrauen auf den Gott des Lebens. Er hat sich in der Auferweckung des Gekreuzigten und Begrabenen aus dem Tod erwiesen.

 

Sie sind für dieses Zeugnis nicht allein gelassen. Die Geistesgegenwart Gottes ist ihnen gegeben. Auch wenn ihr eigenes Leben und alles von ihnen Geschaffene („Kein Stein wird auf dem anderen bleiben“) unvermeidlich an sein Ende kommt: In der Hoffnung haben sie schon das Leben ergriffen, das den Tod überwindet. Die Geduld ist die dem Leid in der jetzigen Welt zugewandte Seite der Hoffnung.