Erfüllte Zeit

08. 12. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Verheißung der Geburt Jesu“ (Lukas 1, 26 – 38)

von Pfarrer Christian Öhler

 

 

Ein altes Marienlied lautet: „Sagt an, wer ist doch diese, die vor dem Tag aufgeht, die überm Paradiese als Morgenröte steht“. Wir singen es in unserer Pfarrgemeinde sehr gerne. Maria ist wie die Morgenröte. Das geht in Richtung guter Marienverehrung. Sie ist nicht die Sonne, sie ist nicht Gott, sie ist nicht Jesus. Das Morgenrot kündet das Ende der Nacht an und die bald aufgehende Sonne, das Licht. Maria, so verstanden, ist für uns ein Zeichen der Hoffnung in der Nacht, Hoffnung auf das Ende der Nacht, Ankündigung des Lichtes.

 

Damit wären alle falschen Aussagen weg, die lauten: Ohne Maria gibt´ s keinen Himmel. Maria ist Miterlöserin und Mittlerin aller Gnaden. Nach dem Krieg sollte dieser Glaubenssatz sogar zum Dogma erhoben werden, die deutschen Bischöfe haben es gerade noch verhindern können. Maria hat zeitweise Jesus zu viel Konkurrenz gemacht. Die Konstruktion war einfach: der strenge, strafende, allgewaltige, unnahbare Gott – da hast du keine Chance. Aber über Maria geht´ s, das Hintertürl war offen.

 

Gott ist Gott und Maria ist und bleibt ein Geschöpf. Mag sie vielen auf Grund der menschlichen Nähe im Gegensatz zum fernen Gott sehr sympathisch sein: heilsnotwendig ist sie nicht. Heilsnotwendig ist nur der persönliche Glaube, das Sich-los-lassen auf Gott hin, die vertrauensvolle Beziehung zum großen DU. Dass Maria gerade darin ganz groß war und daher auch Vorbild ist, ist unbestritten. Gott selbst hat sie vom Anbeginn ihrer Existenz weg begnadet und das heißt mit einem auf ihn hin unbeschwert offenen Herz beschenkt. „Freue dich, du bist mit Gnade beschenkt, denn die Lebendige ist mit dir!“ übersetzt die Bibel in gerechter Sprache den Gruß des Engels an Maria.

 

Das heutige Fest heißt traditionell: Hochfest der unbefleckt empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria. Vor einigen Jahrzehnten ist ein neuer Ausdruck in Gebrauch gekommen, der sich allerdings nie wirklich durchgesetzt hat: Erwählung Mariens.

 

Mir gefällt diese Bezeichnung, weil dazu auch das Evangelium passt. Früher war dieser Text so irreführend, dass jeder zweite auf die Frage „was feiern wir?“ gesagt hat: „die Empfängnis Jesu in Maria.“ Auch die Formulierung „unbefleckt empfangen“ ist lebensfremd. Als ob die Zeugung der anderen nicht ganz ordentlich wäre.

Und der Ursprung des Festes ist auch umstritten. Einige Bischöfe haben ein Dogma gegen die Abstammungslehre von Charles Darwin verlangt. Folgende Logik hat sie geleitet: Wenn der Mensch vom Tier, vom Affen abstammt, dann steht nicht mehr ein Menschenpaar, Adam und Eva am Anfang, womit auch die Lehre von der Sünde der beiden und ihren Folgen in der Luft hängt. Mit dem Fest ist die alte Erbsündenlehre einbetoniert worden.

 

Inzwischen hat sich verändert, dass wir die Texte aus dem Buch Genesis nicht mehr als Ereignisse lesen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt genau so geschehen sind, sondern als Aussagen über uns alle: Adam und Eva sind wir hier und heute. So sind die Menschen – wird uns gesagt – sie verlassen immer wieder die vertraute Nähe Gottes, das Paradies, und schaffen so viele Probleme, das ist typisch „Menschen“, man kann ruhig sagen: das ist erblich.

 

Mit Maria beginnt nun eine neue Möglichkeit auf dieser Welt:

Dieses zwanghafte allein Agieren, ohne Gott, muss nicht sein, wir können aussteigen aus dem Kreislauf des Bösen.

 

Das ist das Fest heute. Wie ein Traum mutet es an: ein Mensch, ganz und gar frei vom Bösen, nicht verstrickt in den Zwängen, wie das Morgenrot am dunklen Himmel. Was keiner für möglich hält, ist möglich: das Böse ist nicht endgültig. „Denn bei Gott ist nichts unmöglich“, weiß der Engel Gabriel. Die heilige Geistkraft bewirkt einen Neuanfang. Maria wird von Beginn ihres Daseins an in diesen Neuanfang miteinbezogen. Dass Gott sein Konzept vom neuen, vom erlösten Menschen bereits bei ihrer Konzeption verwirklichen wollte, ist der geheimnisvolle Gehalt des heutigen Hochfestes der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria.