Erfüllte Zeit

09. 12. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Johannes der Täufer“

(Matthäus 3, 1 – 12)

von Generalvikar Benno Elbs

 

 

Vor mir breitet sie sich aus die judäische Wüste zwischen Jericho und Jerusalem. Durchbrochen wird sie von der hohen Mauer, die die Bewohner desselben Landes voneinander trennt. Jahrhundertealte Wege von Ost nach West und von West nach Ost sind unbegehbar geworden. Als wären Mauern je eine Lösung gewesen, wenn Menschen nicht miteinander auskommen. Und ich höre an diesem Ort Johannes den Täufer im Jahre 2007 sagen: „Schafft die Mauern weg, diese Bankrotterklärung vernunftbegabter Menschen. Schafft die Mauern weg aus euren Köpfen und Herzen, durchbrecht den Teufelskreis des Hasses und der Gewalt. Durchbrecht den Teufelskreis immer neuen Unrechts.“

 

Ich wünsche mir manchmal, Johannes würde heute noch einmal auftreten, so wirkungsvoll wie damals. Eigenartig scheint es: Dieser Prophet in der Wüste bewegte die Massen damals. Von allen Seiten, von Jerusalem und Judäa, aus der ganzen Jordangegend kommen sie zu ihm in die Wüste. Was bewegt die Sadduzäer, die Bannmeile des Tempels zu verlassen und hinauszugehen in die Einöde, dorthin, wo Johannes zur Umkehr aufruft.

 

In der heutigen Sprache würde Johannes wohl sagen: Es ist Schluss mit lustig. Der Ernstfall ist eingetreten. Feueralarm ist angesagt. Überall Sirenen. Die Welt brennt. Es ist keine Zeit zu verlieren. Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.

Und nichts hilft: keine prominente Herkunft und kein fettes Bankkonto. Das alles hat keinen Nutzen, wirkt nicht angesichts der Drohrede Johannes des Täufers.

 

Doch in erster Linie, allem voran, geht es nicht um Drohung, nein, es geht um die Möglichkeit der Umkehr. Johannes der Täufer hat einen tiefen Wunsch, nämlich den: Bereitet dem Herrn den Weg, ebnet ihm die Straße. Mit zitternder Stimme kündigt er etwas an, was dem Menschen entgegenkommt, und der Mensch ist in Gefahr, dieses große Geschenk zu verpassen.

 

Stolpersteine sind wegzuräumen. Schlaglöcher von Missgunst und Neid auf dieser Straße sind aufzufüllen. Gräben uralter Vorurteile und dummer Klischees sind zuzuschütten. Ja, Johannes möchte, dass sich etwas bewegt.

 

Und wir tragen alle diese große Sehnsucht nach Frieden in uns – in Palästina, in Afghanistan, gerade auch im Heiligen Land. Ohnmächtig stehen wir dabei vor den nichtgefundenen Lösungen.

 

Jedoch der Ruf zur Umkehr – bereite dem Herrn den Weg, ebne ihm die Straße – hat neben diesem gesellschaftspolitischen auch einen persönlichen Aspekt. Johannes will Brücken bauen für uns persönlich in ein Land voller Hoffnung und Zuversicht.

 

„Du hast einen schönen Beruf“, sagte das Kind zum alten Brückenbauer. „Es muss sehr schwer sein, Brücken zu bauen.“ „Wenn man es gelernt hat, ist es leicht“, antwortete der Brückenbauer. „Es ist leicht, Brücken aus Beton und Stahl zu bauen. Die andern Brücken sind viel schwieriger“, meinte er nachdenklich, „die baue ich in meinen Träumen.“ „Welche anderen Brücken“, fragte das Kind. Der alte Brückenbauer betrachtete das Kind nachdenklich. Er wusste nicht, ob es verstehen würde. Dann sagte er: „Ich möchte eine Brücke bauen von der Gegenwart in die Zukunft. Ich möchte eine Brücke bauen von einem Menschen zum andern, von der Dunkelheit in das Licht, von der Traurigkeit zur Freude. Ich möchte eine Brücke bauen von der Zeit in die Ewigkeit über alles Vergängliche hinweg.“ Das Kind hatte nicht alles verstanden, spürte aber, dass der alte Brückenbauer traurig war. Weil es ihn wieder froh machen wollte, sagte es: „Ich schenke dir meine Brücke. Und das Kind malte einen bunten Regenbogen.“

 

Johannes der Täufer ist ein adventlicher Mensch, einer, der dazu auffordert, heute wie damals Brücken zu bauen, Brücken von der Erde zum Himmel, damit das Licht der Weihnacht leuchten kann in das Dunkel unserer Erde. – Ein Licht, das uns den Weg weist, hin zu dauerhaftem Frieden.

 

Advent ist dann, wenn man die Tränen in den Augen eines Kindes abwischt.

Advent ist immer dann, wenn man die Waffen niederlegt und sich verständigt.

Advent ist dann, wenn die Herzen Beleidigungen vergessen, wenn wir geschwisterlich zueinander werden.

Advent ist in den Augen jener Menschen, die man an ihrem Krankenbett besucht.

Advent ist in den Händen dessen, der sein Brot mit anderen teilt.

 

Johannes hat eine immense Forderung formuliert: Mauern müssen zu Brücken werden.

 

In der Zeit vor Weihnachten – jetzt im Advent – halten wir Christen eine Hoffnung wach. Diese Hoffnung trägt den Namen „Jesus Christus“. Er ist unseren Weg der Unsicherheit, der Heimatlosigkeit, der Anfeindung selbst gegangen. Ja, die Lage scheint ernst. Dennoch gibt es viele Möglichkeiten. Nicht die Angst, nein, vielmehr die Zuversicht soll den großen Auftrag an Sie und mich begleiten: Bereite dem Herrn den Weg. Ebne ihm die Straßen, damit in Deinem Leben Weihnachten wird.