Erfüllte Zeit

09. 12. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

Wachen

 

Jemand muss zu Hause sein, Herr, wenn du kommst. Jemand muss nach dir Ausschau halten, Tag und Nacht.
Wir sind immer nicht zu Hause, Herr, uns selbst fremd, einander fremd, irren wir in der Fremde umher.
Jemand muss wachen, unten an der Brücke, um deine Ankunft zu melden, Herr. Du kommst ja doch in der Nacht wie ein Dieb.
In der Nacht kommst du, in der Dunkelheit; wo man nichts sieht, sagst du, im Dunkel des Glaubens also, wo die Hoffnung, wo die Liebe zum Leuchten kommen. Über die Brücke der Sehnsucht kommst du zu uns. Das steht fest.
Wachen ist unser Dienst, wachen. Auch für die Welt. Sie ist so leichtsinnig, läuft draußen her um und nachts ist sie auch nicht zu Hause. Denkt sie daran, dass du kommst? Dass du ihr Herr bist und dass du sicher kommst?
Jemand muss ihr melden, dass du kommst. Wenn wir ihr aber selber verfallen, der Welt, Herr, und dein Kommen vergessen? Was dann?
Jemand muss auf dich warten, zu Hause sein um Mitternacht, um dir das Tor zu öffnen und dich einzulassen, wo du ja kommst, immer heimlich kommst.
Lass uns bei dir zu Hause sein, Herr. Und bist du nicht selber das Tor, du, unser Gott? Dein Kommen hole uns heim, hole die ganze Schöpfung heim an dein Herz. Komm, Herr Jesu, komm.

 

 

(Silja Walter, *1919, Benediktinerin im Kloster Fahr, Unterengstringen ZH, Dichterin und Schriftstellerin)