Erfüllte Zeit

23. 12. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Geburt Jesu“

(Matthäus 1, 18 – 24)

von Regina Polak

 

 

In der Marienpfarre im 17. Wiener Gemeindebezirk – die Pfarre, in der ich meine Kindheit und Jugend verbrachte – gibt es einen Josefsaltar. Als Kind stand ich oft vor diesem Altar und betrachtete diese ungewöhnliche Statue: Ein junger, hübscher Mann, der sorgsam und zärtlich ein Kind in den Armen hält. Dass das Kind das Jesuskind ist, war mir klar; dass es sich bei dem Mann um Josef, den gesetzlichen Vater Jesu handelt, ist mir erst viel später bewusst geworden. Denn ungewöhnlich war für mich nicht nur dieses öffentliche Bild eines zärtlichen Vaters, ungewöhnlich war auch das Alter dieses Josef. Mir war der Ehemann Marias lange Zeit nur bekannt als alter, gebeugter Mann, der eher wie ihr Großvater und nicht wie ihr Ehemann aussah – eine alte, liebe, aber unwichtige Begleiterscheinung neben der Gottesmutter mit dem Kind. Hier aber, in meiner Kirche, stand ein Mann in den besten Jahren, ein Vater, der dieses Kind auf seinen Armen ganz offensichtlich liebte.

Der unscheinbare, bescheidene, der gute, alte Josef: Die Bibel erzählt nur wenig über ihn: Er stammt aus dem Hause David, war ein Zimmermann, ein Baumeister, der Holz und Stein bearbeitete. Er ist der Verlobte, später der Ehemann von Maria. Er zieht mit der schwangeren Maria zur Volkszählung nach Bethlehem, sucht dort eine Herberge, steht ihr bei der Geburt bei. Dann flieht er mit Maria und Jesus nach Ägypten, um dem Kindesmord des Herodes zu entgehen zieht er mit seiner Familie später nach Nazareth, wo Jesus aufwächst. Das letzte Mal hören wir von ihm im Lukasevangelium, wo er mit Maria den zwölfjährigen Jesus im Tempel wieder findet. Viel wird nicht erzählt. Und doch würde ohne diesen unscheinbaren Mann im Hintergrund Jesus wohl nicht überlebt haben.

Die Bibel erzählt von einem Mann, der eine Frau heiratet, die noch vor der Eheschließung schwanger wird und deren ungeborenes Kind ganz offensichtlich nicht von ihm ist. Und als er die Bedrohung dieses Kindes, das nicht das seine ist, wahrnimmt, rettet er ohne Zögern seine Familie. Er sorgt für seine Familie, zieht den Sohn Mariens groß, die als ledige Mutter wohl damals kein leichtes Leben gehabt hätte. Die Bibel zeigt einen mutigen, ein liebenden, einen echten Mann.

Was macht ihn in seiner Unscheinbarkeit so groß? Josef wird als Mann des Glaubens beschrieben. Zwei mal wird eine echte Lebenskrise erzählt – beide Male vertraut Josef seinen Träumen, die er als Anruf Gottes erkennt. Als er noch vor der Eheschließung von Marias Schwangerschaft erfährt, beschließt er, sich von ihr zu trennen. Dies allein ist angesichts damaliger gesellschaftlicher Verhältnisse schon mehr als menschlich. Jedes Recht hätte er auf seiner Seite gehabt, Maria zu verlassen, denn ganz offensichtlich hat sie ihn ja betrogen.  Er tut es nicht, er nimmt Maria zu sich. Er ist bereit, seine eigenen Vorstellungen, von dem, was richtig, gerecht, moralisch ist, zu lassen; er lässt seinen Willen, seine Pläne, vielleicht auch seinen verletzten Stolz und öffnet sich dem Anruf Gottes und glaubt, dass dieses Kind von Gott ist, dass er  - auch wenn es vielleicht aus seiner Sicht zunächst ganz und gar nicht so ausgesehen haben mag – in die Heilsgeschichte Gottes gerufen ist; dass das, was ihm hier widerfährt, Gottes Wille ist. Schon er glaubt, dass Gott mit uns ist – und das ermöglicht es ihm, in Treue zu Maria zu stehen, ohne zu wissen, was kommt, ob sein Traum nicht vielleicht doch eine Täuschung ist.

Das Evangelium erzählt, dass Josef gehorsam ist – nicht weil er muss, sondern weil er glaubt, hofft und liebt. Er horcht auf das, was ihm das Leben schickt und riskiert es, sich darauf einzulassen. Denn dass wahr werden würde, was ihm der Traum offenbart hatte, war ja kein sicheres Wissen, es war eine Verheißung für die Zukunft, die in Josefs Gegenwart wohl alles andere als rosig aussah. Welcher Mann nimmt schon eine schwangere Frau zu sich, noch dazu, wenn es nicht einmal das eigene Kind ist? Welcher Mann glaubt an Träume? Wenn das öffentlich würde – hätte mancher sagen können: Josef, was für ein Waschlappen!

Nach der Geburt Jesus im Stall, die Sterndeuter waren weggegangen, erzählt der Text, dass Josef erneut hellwach reagiert  – indem er wieder einen Traum ernst nimmt, dass seine Familie in Gefahr ist. Josef handelt entschlossen und bricht auf nach Ägypten. Wieder hat er seinem inneren Wissen um Gottes Nähe getraut und Maria und Jesus damit gerettet.

Viel erzählt die Schrift nicht über Josef. Aber was sie erzählt, lässt erahnen, was er für ein Mensch war: Ein Mann, der sich immer wieder auf das Leben einließ und das, was Gott ihm darin zeigen wollte. Der Mann, mit dem Jesus wahrscheinlich aufwuchs war wohl damals eine Ausnahmeerscheinung. Wahrscheinlich wäre er es auch heute noch. Jesus hat die Fähigkeit zum Glauben, zum Vertrauen, dass Gott auch und gerade in den schweren Stunden und bei den großen Entscheidungen des Lebens ein Gott mit uns ist,  wohl auch bei ihm gelernt. Dass dieses Vertrauen keine naive Gutgläubigkeit ist, schon gar kein positives Denken oder ein heiterer Optimismus – das zeigen die wenigen Geschichten rund um Josef. Glauben braucht Offenheit und Mut, Risikobereitschaft und Entschlusskraft. Wahrlich keine Sache für Waschlappen.