Erfüllte Zeit

06. 01. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Gott lässt sich finden – Die Huldigung der Sterndeuter“ (Matthäus 2, 1 – 12)

von Helga Kohler-Spiegel

 

 

Genau besehen sind es zwei Geschichten, die uns in diesem Abschnitt aus den Kindheitsgeschichten Jesu erzählt werden. Da ist erstens die Konfrontation des neuen Königs Jesus mit dem Macht habenden König Herodes, der das Jesuskind verfolgt und ermorden will. Die zwei Welten, Herodes und Jesus, sind im Kampf - von Anfang an ist Jesus gefährdet. Da sind zweitens die wohl nicht-jüdischen, „heidnischen“ Magier, die Jesus als den neuen König erkennen und mit den entsprechenden Gesten und Gaben (Gold, Weihrauch und Myrrhe) verehren. Und es kommt noch hinzu: Der Text hat in der Volksfrömmigkeit hohe Bedeutung, „Dreikönig“ hat Religiosität und Brauchtum geprägt.

Wie also können wir heute diesen Text verstehen?

 

Die damaligen Hörerinnen und Hörer des Evangeliums dachten wahrscheinlich an Babylon, wenn sie "aus dem Osten" hörten, für jüdische Ohren ist mit Babylon Herrschaft, Vertreibung, Zerstörung verbunden. Nun aber kommen gerade von dort die Menschen, um Jesus als ihren König anzuerkennen. Die Magier brechen auf, weil sie einen Stern gesehen haben, der sie neugierig macht. Die Stelle erinnert an Mose, an die Gefährdung des Kindes Mose und an den erwachsenen Mose, der in der Wüste lebt und Schafe züchtet, als er eines Tages einen Dornbusch sieht, der brennt und doch nicht verbrennt. Im Buch Exodus heißt es: "Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen." (Ex 3, 3a) Ein Mensch bricht auf, weil er etwas Neues entdeckt, das ihn fasziniert. "Wir haben den Stern des neugeborenen Königs gesehen", so sagen die Magier, die Weisen. Etwas zu finden, was mich so sehr interessiert, dass ich bereit bin, hinzugehen - das ist der Anfang. Bei Mose ist es der Beginn der Befreiung, der Beginn des Weges in das Gelobte Land.

Hinter dem Motiv der Ankündigung, Gefährdung, Verfolgung und Rettung des neuen Königskindes steht eine weit verbreitete antike Tradition. Dieses Muster ist außerhalb der Bibel z.B. von Kaiser Augustus, Kaiser Nero, von Zarathustra und von Krischna überliefert.

 

Die Magier fragen: "Wo ist der neugeborene König der Juden?" Es ist mutig, in einem besetzten Land nach dem neuen König zu fragen. Diese Frage hat zwei Richtungen. Sie verbindet einerseits den Anfang des Lebens Jesu mit seinem Sterben, wenn auf seinem Kreuz wieder stehen wird: "Der König der Juden" (Mt 27, 37). Glaubende hören auch, dass in ihm der erwartete, ersehnte Messias da ist, der der ganzen Welt Frieden bringt.

 

Zugleich ist diese Frage politisch zu verstehen: "Wo ist der neugeborene König der Juden?" Wer ist hier der rechtmäßig Herrschende? Die Frage macht deutlich, dass der gewalttätige Herodes mit seinen Leuten nicht der wirkliche König ist, dass Gewalt und Unterdrückung nicht die Macht haben dürfen, dass der neue König – wie Mose – für ein Leben in Freiheit und Würde steht. Die Polarisierung von Herodes und Jesus ist deutlich – zwei Könige, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

 

Zur Erklärung des Sterns gibt es zahlreiche Theorien, auf faktischer Ebene könnte es eine Supernova gewesen sein (die aber für jene Zeit nicht zu belegen ist), ein Komet oder die Jupiter-Saturn-Konstellation, die im Jahr 7/6 v. Chr. dreimal vorkam und von babylonischen Astronomen vorhergesagt wurde. Dies ist zeitlich am wahrscheinlichsten, aber Brüche im Text und sachliche Widersprüchlichkeiten lassen diese Erzählung nicht als historisch erscheinen. Viel wichtiger als die historische Frage ist die Frage nach der Bedeutung, zwei Aspekte greife ich heraus:

 

1. Die Magier, manche sagen auch Sterndeuter – sie haben sich aufgemacht, sie suchen den neuen König, auch wenn es bereits "Könige" gibt. Sie lehren uns, nicht zu schnell zufrieden zu sein und nicht aufzugeben, sondern das Kind, den neuen König zu suchen. Er lässt sich finden! Gott lässt sich finden - im Kind. Kurt Marti schreibt im Gedicht „Seit meiner Kindheit“:

„Seit meiner Kindheit

bin ich den Menschen auf der Spur.

Ich fragte viel.

Ich blieb sitzen, wo viele gingen.

Ich lasse die Menschen nicht aus den Augen.

Seit meiner Kindheit

bin ich den Menschen auf den Fersen.

Auf diesem Weg hab´ ich

viel von Gott entdeckt.“

Vielleicht ist es weniger der Blick zu den Sternen als der Blick auf die Menschen, im neugeborenen Kind, im Menschen ist Gott zu entdecken.

 

2. Und - es ist ein tröstlicher Text, denn: Angst begleitet die Menschen seit jeher, zur Zeit Jesu, im ersten Jahrhundert zur Zeit der ersten Christinnen und Christen, bis heute. Trostgeschichten wollen das Vertrauen stärken – auch wenn die Erfahrungen nicht immer so tröstlich sind. Die Geschichte von den Magiern (zu Königen wurden sie erst im Mittelalter) erzählt von Gottes bewahrender Führung, dass Gott die Menschen führt und begleitet, dass Gott behütet… Das heutige Evangelium erzählt, dass Gott uns Menschen auf unterschiedliche Art begleitet und beschützt, durch Träume, durch Sterne, durch Menschen – wenn wir diese Stimmen hören, wenn wir sie achten und beachten.