Erfüllte Zeit

13. 01. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

Schalom Ben-Chorin

 

 

Erst nach dem 2. Weltkrieg war die Zeit reif für das christlich-jüdische Gespräch, das nun zunächst als ein Gespräch aus der Schuld geführt wurde. Zu spät hatten die Kirchen erkannt, dass sie durch Schweigen mitschuldig geworden waren am Martyrium der Juden Europas.

 

In Schuldbekenntnissen formulierten die Kirchen in Deutschland, aber auch anderwärts, die Erkenntnis ihres Versagens. Nun wollten sie die Wand des Schweigens durchbrechen, suchten den jüdischen Gesprächspartner, insbesondere aber in Jerusalem, das als die Herzmitte von Judentum und Christentum neu erkannt wurde.

 

Jetzt wurde das Gespräch möglich, das ich zaghaft und unzulänglich schon ein Jahrzehnt vorher begonnen hatte.

 

Zunächst bot sich natürlich Deutschland als Schauplatz solcher Gespräche an.  Die Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, der Evangelische Kirchentag mit seiner Arbeitsgruppe „Juden und Christen“, die alljährliche „Woche der Brüderlichkeit“, Studentengemeinden, evangelische und später auch katholische Akademien, boten den Rahmen.

 

Allerdings können die verschiedenen Religionen nicht miteinander reden, nur die Menschen, die Personen. Es kommt also auf den echten Dialog an, die Zwiesprache, nicht zwischen Judentum und Christentum, oder gar zwischen Ecclesia und Synagoge, die nur als Symbolgestalten am Dom zu Bamberg oder am Straßburger Münster erscheinen, sondern auf das schlichte Gespräch zwischen einzelnen Juden und Christen. Juden und Christen werden dann allerdings in dieses Gespräch ihr kollektives Erbgut mit einbringen, so dass es nicht nur beim individuellen Gespräch bleibt.