Erfüllte Zeit

20. 01. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Das Zeugnis des Täufers für Jesus“ (Johannes 1, 29 – 34)

von Veronica Maria Schwed

 

 

„Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war.“ Dieser Vers des Johannesevangeliums ist für mich einer der faszinierendsten Gedanken des Neuen Testaments. Er öffnet neue Sichtweisen. Sich darauf einzulassen verändert Perspektiven.

 

„Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war.“ Diese Feststellung sprengt die Enge des Denkens in der Zeit. Wir sind in unserem Denken an Raum und Zeit gebunden. Das macht es für uns schwierig, das anzunehmen oder gar zu verstehen. Zeitlosigkeit ist göttlich.

 

„Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war.“ Diese Präexistenz Christi bedeutet: Die Menschwerdung Gottes ist kein Zufall, sondern Christus ist von Ewigkeit her. Er ist die Sinnspitze der Schöpfung. Das heißt: Alle Schöpfung ist auf Jesus Christus hin geschehen! Seine Menschwerdung ist keine „Laune Gottes“, kein „Notfallprogramm“, weil die Menschen so schlecht waren, sondern sie ist in Liebe geplant und vorhergesehen. In ewiger Zeitlosigkeit ist Gott der Dreieine, in ewiger Zeitlosigkeit ist Jesus Christus der Sohn.

 

Das verändert den Blick auf die Geschichte Gottes mit dem Menschen! Sie ist nicht nur lineare Heilsgeschichte, sondern umfassende Liebesgeschichte! Jesus Christus kannte diese Welt, auf die Er sich einließ. Seit Ewigkeit war sie auf Ihn hin erschaffen, auf Ihn, der Erfüllung alttestamentlicher Verheißung. Er hieß Abraham und Sarah ihre Heimat zu verlassen um Stammeltern eines großen Volkes zu werden. Er begleitete das Volk Israel durch die Wüste und führte es ins Gelobte Land. Er bewegte die Herzen der Propheten Sein Kommen zu verheißen. Er wusste um die Sehnsucht der Psalmisten.

 

Schrittweise offenbart sich Gott im jahrtausendlangen Weg mit den Menschen, doch Er ist der Dreieine, seit Ewigkeit. Jesus Christus ist von Anbeginn wahrer Mensch und wahrer Gott. Am Konzil von Chalzedon im Jahr 451 wurde festgeschrieben: „Jesus Christus ist vollkommen in der Gottheit und vollkommen in der Menschheit, wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch, Christus, der einzig geborene Sohn und Herr, der in zwei Naturen unvermischt, unveränderlich, ungetrennt und unteilbar erkannt wird.“

 

„Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war.“ Dieser Jesus Christus kommt in die Welt. Er lässt sich auf das Leben in der Zeit und in der Welt ein, nimmt vorbehaltlos menschliche Gestalt an. Völlig „normal“ wird er als Kind geboren, - erscheint nicht unvermutet in strahlendem Glanz, sondern in einem Schwall Fruchtwasser und mit Käseschmiere bedeckt, wie jeder andere Säugling auch. Er kommt als wahrer Mensch, um den Menschen von der Liebe des Dreieinen zu künden, ja, um die Menschen unwiderruflich in diese Liebe einzubinden. Indem Jesus Christus in diese Welt kommt, öffnet Er den Menschen den Himmel. Indem Gott in Jesus Christus diese Welt als Mensch betritt, erhebt Er den Menschen zu sich. Indem Er sich am Kreuz erniedrigen lässt, erhöht Er jede und jeden von uns. Gott wurde Mensch, damit der Mensch vergöttlicht werde, sagt Athanasius der Große.

Vor diesem Geheimnis kann ich nur staunen. Ich kann es nicht verstehen, sondern nur in Dankbarkeit annehmen und mit Johannes sagen: Das habe ich gesehen, und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes.