Erfüllte Zeit

20. 01. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

Versöhnung – Aktuell

 

 

Die Wahrheit ist bitter: Die Menschen leben weithin in Konflikten. Im Streit. Was mit kleinen Differenzen beginnt, wird oft zu jahrelanger Feindschaft. Der Feindschaft zwischen Einzelnen entsprechen Hass und Kampf der Klassen, Rassen, Religionen, Nationen. Konflikte gefährden den Menschen in seiner Existenz.

 

Das Gespräch, das zur Versöhnung führt, setzt voraus, dass dem anderen ein Vertrauen, ein prinzipielles Wohlwollen entgegengebracht wird. Das muss nicht Freundschaft sein, schon gar nicht eine Zustimmung zu irrigen Ideen oder Fehlhaltungen. Aber man muss dem Mitmenschen den guten Willen zubilligen, das, was man von ihm auch für sich selbst erwartet.

 

Versuche einer echten Versöhnung bedürfen der Anstrengung. So wie Konflikte meist nicht plötzlich entstehen und sich vertiefen, sondern sich langsam entwickeln, braucht auch die Versöhnung Geduld und Ausdauer. Bei der Versöhnung unter Menschen gibt es verschiedene Phasen des Verhaltens: Einander ernst nehmen, Miteinander reden, Miteinander verhandeln, Suchen von Konfliktlösungen. Sollte aber die Lösung eines Konflikts nicht möglich sein, kann es zur Regelung des Lebens inmitten von Konflikten kommen. Denn während dieser Phasen lösen sich emotionelle Spannungen, man findet zur Anerkennung, die für die weitere Form des Zusammenlebens eine rechte Grundlage bildet.

 

Ein weiteres Zeichen für die Tiefe des Versöhnungswillens ist die Entschiedenheit, Probleme nicht abzuleugnen und Meinungsverschiedenheiten nicht zu verschweigen.

 

Die Grundlage für die Friedensstiftung durch Versöhnung unter den Menschen bleibt aber die Versöhnung des Menschen mit Gott. Versöhnung bedeutet eine Tat. Menschen, die Versöhnung wirken, verändern die Situation, ihre eigene ebenso wie die ihrer Mitmenschen. Die Tat kostet Anstrengung. Aber dieser Preis muss für die Versöhnung gezahlt werden.

 

Jesus sagt aber auch, dass „Er gekommen sei, nicht den Frieden, sondern das Schwert zu bringen“. Dieses Schwert ist das Wort Gottes, das die Unterscheidung lehrt. Wir müssen zwischen Konflikt und Sünde unterscheiden, zwischen echtem Frieden und bloßer Versöhnlerei, zwischen Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. Es ist eine falsch verstandene Versöhnung, „um des lieben Friedens willen“ zurückzustecken, wenn die Grundsätze der Wahrheit und Gerechtigkeit auf dem Spiel stehen. Aber auch in der bittersten Auseinandersetzung darf nie vergessen werden, dass „der andere“ der Bruder in Christus ist. Wir müssen lernen, mit Konflikten zu leben, ohne die Ehrfurcht vor dem Mitmenschen zu verletzen.

 

 

(Aus: Karl Strobl „Wegweisendes“, ausgewählt aus Aufsätzen und Notizen aus den Jahren 1946 – 1984)