Erfüllte Zeit

17. 02. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Verklärung Jesu“

(Matthäus 17, 1 – 9)

von Hans-Peter Premur

 

 

Am ersten Fastensonntag hat uns das Evangelium in die Wüste geführt. Heute gehen wir mit Jesus auf einen hohen Berg. Sowohl die Wüste als auch der Berg sind mehr als nur geografische Gegebenheiten. Sie sind Symbole. Heilige Berge gibt es in allen Weltreligionen und sind oft Ziele von Wall- und Pilgerfahrten. Der Berg Sinai, der Berg Athos, der tibetische Kailasch, Ayers Rock in Australien, Monte Gargano und viele regionale Wallfahrtsziele stehen mit Bergen in Verbindung.  Erst kürzlich war ich auf Sri Lankas heiligstem Berg, dem Adams Peak. Dort wird ein Fußabdruck verehrt – für die Christen und Muslime stammt er vom Erzvater Adam, für Buddhisten von Buddha selbst. Die ganze Nacht hindurch pilgern hunderte Menschen auf diesen Berg, um in der Früh beim Sonnenaufgang sowohl das Licht willkommen zu heißen, als auch das besondere Phänomen des Schattens zu sehen, den dieser Berg kurz nach Sonnenaufgang in den Dunst der Urwaldlandschaft wirft. Jeder heilige Berg und auch der Berg Tabor, von dem heute im Evangelium die Rede ist, ermöglichen die Erfahrung von Licht und Schatten.

 

Die Fastenzeit ist gleichsam eine Bergwanderung mit Jesus. Man verlässt die Niederungen des alltäglichen Lebens und begibt sich so wie Jesus nicht mit allen Bekannten, die man hat, sondern mit ein paar guten Freunden in eine Sondersituation. Gemeinsam unterwegs sein bringt auch gemeinsame Erlebnisse, die einen zusammenschweißen. Wer sich einlässt auf eine anstrengende Bergwanderung oder auf die Herausforderung der Fastenzeit macht unweigerlich eine nicht alltägliche Erfahrung.

 

Am Berg Athos wird die orthodoxe Überzeugung gehütet, dass dieses Taborlicht, das von Gott selbst ausgeht, in der Seele des Menschen selbst erfahrbar wird. Durch Versenkung, Gebet und Meditation wird der Mensch sensibel auf das Licht Christi. Dieser Innbegriff an mystischer Erfahrung ist es, der unmöglich in Worte zu kleiden ist. Alle Mystiker der Welt, die eine innere Erfahrung gemacht haben wissen dies.  Für dieses Licht lassen sich keine Worte finden, für dieses Licht kann man keine Behausung bauen, dieses Licht raubt einem gänzlich alle weltliche Orientierung und kann uns, weil es uns den Teppich unter den Verstandesfüßen zu ziehen scheint, auch Angst machen.

 

Jesus nahm seine drei besten Freunde unter den Jüngern mit auf den Berg, um sie diese tiefe unaussprechliche Lichterfahrung machen zu lassen. Dem Weggehen von Zuhause folgt ein unweigerliches Zurückkehren dorthin. Doch die Freunde Jesu sind im Tiefsten ihres Herzens andere geworden. Sie haben eine Einweihung in das Geheimnis Christi erfahren und haben den realen Kontakt mit der göttlichen Welt erlebt. Mit so einer Erfahrung lassen sich auch die schwierigen Zeiten, die da auf Jesus, auf die Jünger und auf uns alle zukommen meistern.

 

Das heutige Evangelium will uns Mut machen, uns ganz der Führung Jesu anzuvertrauen.  Die Freundschaft mit ihm zu wagen, aus dem alltäglichen Trott auszusteigen und eine den Verstand übersteigende Spitzenerfahrung mit ihm zu machen. Denn nur wer sich auf einen Weg einlässt, wer aus dem gemütlichen Lehnstuhl aufsteht und mitgeht, die Zeit nutzt, macht diese Erfahrung, von der es heute heißt: Steht auf, habt keine Angst!