Erfüllte Zeit

02. 03. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Heilung eines Blinden und der Streit der Juden“

(Johannes 9, 1 – 41)

von Hans-Peter Premur

 

 

Vielleicht haben Sie schon einmal von Heilerde gehört. Sie dient eingenommen zum Ausbalancieren des Säurehaushaltes im Magendarmkanal und kann manches, was aus dem Lot gekommen ist wieder in Ordnung bringen. Gerade in einer strengen Fastenwoche empfehlen ausgebildete Fastenleiter von der innerlichen Wirkung dieser Heilerde kräftig Gebrauch zu machen. Heilerde kann aber auch äußerlich angewendet werden. Mit oder ohne Spucke befeuchtet kann sie wie ein Teig auf Problemzonen der Haut aufgelegt werden. Die Wirkung ist phänomenal! Scheinbar zieht diese fein zermahlene Löss-Erde die Gifte aus dem Körper heraus.

 

Jesus war sicher kein Fastenleiter oder Naturschamane. Dennoch wusste er um Heilmethoden der damaligen Zeit Bescheid. Das Auflegen von Lehm oder Erdstaub in Verbindung mit Speichel – der von meiner Großmutter noch als Bettlersalbe bezeichnet wurde – war ihm sicher bekannt. Dennoch durften am Sabbat keine Heilungen durchgeführt werden. Denn Menschengesetze haben im Laufe der Zeit die göttliche Kraft in ein Korsett gepresst,  ein Phänomen, das nicht nur im Judentum beobachtbar ist.

 

Jesus ist aber der, der den inneren Sinn der alten Gebote wieder aufdeckt und wieder herstellt. Er leistet Widerstand gegen die Blindheit des Gesetzesglaubens. Das bewirkt in der Priester- und Pharisäerkaste natürlich Irritation. Und sie sind es ja, die vor lauter Religionsverwaltung blind geworden sind. Sie können ihn und das eigentliche, um das es im Glauben geht nicht mehr erkennen. Schon eher ist ein blind geborener in der Lage, das Geheimnis Jesus zu suchen, zu finden und zu schauen. Ja vielleicht gerade deshalb, weil er um seine Blindheit weiß und seine Kritiker nicht.

 

Mir persönlich gefällt an der Heiligen Schrift ihre Kraft, uns immer wieder die Augen zu öffnen für das Wesentliche. Evangelienstellen wie die heutige und überhaupt die Berichte vom Leben und Wirken Jesu sind deshalb immer wieder Anlass für die Kirche, sich selbst zu hinterfragen. Könnte es sein, dass auch wir blind geworden sind vor den großen Themen, die die Menschen existentiell bewegen? Wo übersehen wir Menschen, abgelenkt durch Verwaltung von Religion und Brauchtum, die sich mit ihrer Gotteserfahrung und mit ihrer Heilungssehnsucht alleingelassen und ausgestoßen fühlen.

 

Die Geschichte der Kirche beweist, dass sie eine Lernfähige war und ist. Immer wieder haben Menschen in besonderer Weise die Wirkung, die heilende Kraft, die von Jesus ausgeht, erfahren. Wenn solche Menschen ihren Weg in der Kirche gehen können, dann führte dies immer zur Belebung des institutionellen Apparates. Viele heilige Geschichten künden davon. Der Blindgeborene, von dessen Heilung wir heute hören ist daher ein doppelter Hinweis. Einerseits macht er mir Mut, mit meiner geistlichen Blindheit zu Jesus zu kommen und mich heilen zu lassen, andererseits aber fordert er uns Vertreter der Institution Kirche auf, mit offenen Augen gottbewegte Menschen zu finden und sie einzuladen das Leben der Kirche zu bereichern.