Erfüllte Zeit

16. 03. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Sanftmütig dienen – Jesu Einzug in Jerusalem“ (Matthäus 21, 1 – 11)

von Wolfgang Langer

 


Das ist mit Sicherheit kein historischer Bericht. Jesus ist eine mehr oder weniger kurze Zeit vor seinem gewaltsamen Tod nach Jerusalem gekommen, aber jedenfalls nicht so. Die Erzählung ist eine bildhaft gestaltete Verkündigung des Glaubens an ihn als den Messias, den „Davidssohn“. Im Hintergrund steht eine Geschichte aus dem Alten Testament: die Erhebung Salomos, des realen Sohnes Davids zum König (1Kön 1, 38 - 40). Auch dort begleitet viel Volk den soeben „Gesalbten“ jubelnd hinauf in die Davidsstadt.

Der Evangelist „malt“ diese Szene außerdem als Erfüllung einer Verheißung aus dem Buch des Propheten Sacharja, die er wörtlich zitiert: „Siehe, dein König kommt zu dir, auf einem Esel reitend, auf dem Jungen eines Lasttiers“ (Sach 9, 9). Darauf kommt es ihm an: Ja, dieser Jesus, der „Prophet aus Nazaret“, ist mehr als ein Prophet. Er ist der erwartete Messias-König.

Aber er kommt ganz anders als erwartet. Nicht herrscherlich mit Macht und Gewalt. Sondern eben so: friedfertig, demütig auf einem jungen Esel sitzend, dem „Lasttier“ der armen Leute. Jesus kommt nach Jerusalem, nicht um zu herrschen, sondern, wie sein ganzes Leben lang, um seinem Volk zu dienen und die Menschen die Wahrheit Gottes zu lehren. Dieser Dienst wird am Ende bis zum Äußersten gehen: bis zur Hingabe seines Lebens.

Die Liturgie lässt uns heute in der Prozession zur Kirche den „Einzug Jesu in Jerusalem“ nachspielen. Das wird nur dann mehr als ein Spiel und in einem tieferen Sinn wahr sein, wenn es Konsequenzen hat. Es ist leicht, mit ein paar Palmkätzchen oder Ölzweigen in Händen dem Priester voran oder hinterher zu gehen. Schwerer ist es schon, in dem armen, demütigen Jesus den Retter und Befreier der Menschheit, den Überwinder des Todes zu erkennen – und im Glauben anzuerkennen. Darauf zielt die Geschichte zunächst.

Noch weit schwerer ist es, sich immer neu dazu zu entscheiden, diesem Jesus Tag für Tag im gelebten Leben „nachzufolgen“. Aber da gewinnt die Geschichte erst ihren eigentlichen und letzten Sinn. Nachfolge Jesu heißt demnach in der Grundhaltung des Dienens leben. Nicht hoch hinaus wollen. Nicht eigennützige Interessen brutal gegen andere durchsetzen. Vielmehr „empfindlich“ sein für Bedürfnisse und Nöte anderer. Sich einfühlen in leidende Menschen neben mir (die „Nächsten“). Wach sein in Situationen, in denen ich für andere da sein kann.

Ein ideales Lebensprogramm? Ein Zeugnis für Jesus, in dem Gott den Menschen dient – und nicht umgekehrt? Sicher! Aber es muss immer wieder neu errungen werden gegen unsere „natürlichen“ egoistischen Antriebe.