Erfüllte Zeit

23. 03. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Erscheinung Jesu vor Maria aus Magdala“ (Johannes 20, 1 – 18)

von Abt Christian Haidinger

 

 

„… trotzdem Ja zum Leben sagen“ - unter diesem Titel veröffentlichte der große Arzt und Psychologe Viktor Frankl nach der Befreiung aus dem KZ seine Erinnerungen an diese schrecklichen Jahre, in denen fast seine ganze Familie im Konzentrationslager umgekommen ist: Vater, Mutter, Bruder - und auch seine junge Frau Tilly. Nur er und seine Schwester haben überlebt.

 

„… trotzdem Ja zum Leben sagen“ - in mehr als 10 Millionen Exemplaren ist seither dieses Buch verkauft worden.

 

Für Viktor Frankl, ein gläubiger und praktizierender Jude, war das zunächst kein religiöses Glaubensbekenntnis, sondern Ausdruck seiner Überzeugung, dass jedes menschliche Leben, auch wenn es geknechtet und gefoltert wird, auch wenn es krank und behindert ist, einen tiefen, unverlierbaren Sinn hat, - und dass dieser auch in Leiden und Sterben, Not und Tod nicht verloren geht.

 

Ist diese Deutung menschlicher Existenz, wie sie dieser große Arzt und Psychologe uns schenkt, nicht auch eine Deutung der Osterbotschaft? Das Drama des Karfreitags hat die Jüngerinnen und Jünger Jesu zutiefst erschüttert und verunsichert. Alle Hoffnungen wurden begraben! Es ist dunkel geworden in den Herzen der vielen, die sich Jesus angeschlossen und sich auf den neuen Weg gemacht hatten, den Er, Jesus, ihnen vorausgegangen ist! Petrus hatte schon recht mit seinem Bekenntnis in einer sehr belasteten Situation: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens.“ (Joh 6, 68) Und jetzt das! Jesus, ihr Herr und Freund und Meister war tot! Und seine Anhänger waren gleichfalls bedroht! Die Botschaft des Lebens und neuer Hoffnung ist wie ein Kartenhaus zusammen gestürzt!

 

Nur langsam hat die Osterbotschaft die Jüngerinnen und Jünger um Jesus erfasst: Maria Magdalena lief entsetzt zu Petrus und meldete die Nachricht vom leeren Grab. Diese Nachricht hat Verwirrung und Ratlosigkeit ausgelöst. Petrus und Johannes wollten sich vergewissern - und fanden ebenso nur das leere Grab. Freilich wird uns von Petrus gesagt: „Er sah und glaubte.“ Der Text bleibt etwas unklar, ob sich dieses Bekenntnis auf das leere Grab oder doch auf die Auferstehung bezieht!

 

Maria von Magdala weint, ist traurig und verzweifelt: Jesus steht ihr schon gegenüber, aber sie erkennt ihn nicht! Erst als er sie ansprach: „Maria“ erkennt sie ihn - und sofort eilt sie zu den Jüngern und verkündet: „Ich habe den Herrn gesehen!“ Er ist wirklich auferstanden, er lebt!

 

Die Osterevangelien zeigen, dass die Osterhoffnung und die Osterfreude nur langsam um sich greifen! Der Auferstandene hat sich jenen geoffenbart, die trotz äußerer Enttäuschung die Hoffnung nicht aufgaben und ihn suchten. Und es scheint, dass ihn am ehesten jene erkannten, die ihn innig liebten, wie eben Maria von Magdala, die zur ersten Zeugin - zur „Apostolin“ - der Auferstehung wurde!

 

„… trotzdem Ja zum Leben sagen!“ - dies hat Frankl in auswegloser Situation seinen Mitgefangenen zugerufen!
Maria Magdalena ist dem Auferstandenen begegnet, - und sie eilt zu den Brüdern und Schwestern und verkündet ihnen: „Ich habe den Herrn gesehen!“ Wie ein Lauffeuer verbreitete sich diese Botschaft. Und auch Petrus und die übrigen Apostel fassen wieder Mut und verkünden den Pilgern in Jerusalem kraftvoll: „Gott hat ihn, den ihr gekreuzigt habt, auferweckt!“ Das Leben hat den Tod besiegt! Es war ein mühsamer Weg, den diese ersten Zeugen aus Verzweiflung und Trauer gehen mussten!

 

Es ist auch für uns heute nicht leicht, in Dunkelheit und Leid dem Leben zu trauen! Darum feiern wir Ostern: um das Ohr des Herzens wieder berühren zu lassen von der Botschaft, dass ER, Christus, den Tod überwunden hat, dass er für uns gestorben ist und für uns auch auferweckt wurde!

 

Und wir feiern Ostern, um uns einander in diesem Glauben zu stärken! Es gibt auch heute und in Zukunft viel Dunkelheit und Leid in der Welt und auch unmittelbar um uns. Und der irdische Tod ist und bleibt uns unausweichlich!

 

Aber Christus hat durch seinen Tod auch unseren Tod vernichtet und durch seine Auferstehung das Leben neu geschaffen! Darum dürfen und können wir in allen Widerwärtigkeiten und Bedrohungen unseres Lebens „… trotzdem Ja zum Leben sagen“!