Erfüllte Zeit

24. 03. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Begegnung mit dem Auferstandenen auf dem Weg nach Emmaus“

(Lukas 24, 13 – 35)

von Abt Christian Haidinger

 

 

Um die christlichen Feste hat sich ein reiches Brauchtum entfaltet. Manche dieser Bräuche sind mehr und weiter verbreitet, andere nur in manchen Gegenden bekannt. So las ich von einem Osterbrauch, der mir völlig unbekannt war: In Oberitalien, in der Gegend von Piemont, soll es ein Brauchtum geben, das man „Osteraugen“ nennt. Wenn am Morgen des Ostersonntags zum ersten Mal die Glocken läuten, dann laufen die Dorfbewohner, Kinder, Erwachsene und auch ältere Leute zum Dorfbrunnen und waschen sich die Augen mit dem kühlen, klaren Brunnenwasser. Manche wissen wohl gar nicht mehr, warum sie zum Brunnen laufen – wie das bei Bräuchen ja oft der Fall ist. Warum sie sich an diesem Morgen die Augen auf so eigentümliche Weise waschen. Sie rennen einfach mit.

 

Vom Ursprung her aber hat dieses Brauchtum eine tiefe Bedeutung, es ist eine Art Gebet, in dem die Menschen um neue Augen, eben um „Osteraugen“ beten. Sie wollten besser und tiefer „sehen“, besser ein-sehen können, was durch die Auferstehung denn nun anders geworden ist in ihrem Leben. Sie wussten, dass der Auferstandene mit den Augen des Leibes nicht zu sehen ist. Auch Paulus konnte ihn vor Damaskus erst „sehen“, nachdem er blind geworden war! Da ist ihm die tiefere Einsicht, die Erfahrung des Auferstandenen geschenkt worden!

 

Ähnlich ist es auch den beiden Emmausjüngern ergangen: Sie waren bei den Aposteln und Jüngern, als die Frauen ihnen ganz aufgeregt erzählten, dass ihr Herr und Meister auferstanden sei, dass er ihnen begegnet ist und ihnen aufgetragen hat, ihnen zu sagen, dass er lebt! Als ob sie diese Nachricht gar nicht gehört hätten …

 

Sie ergreifen die Flucht! Nur weg von diesem Ort, am besten nach Hause und sich wieder im Alltag verlieren … Und vergessen, was sie mit Jesus erlebt und worauf sie gehofft hatten! So machen sie sich auf den Weg … und lassen ihrer Trauer und ihrer Enttäuschung freien Lauf!

 

Da aber gesellt sich einer zu ihnen. Sie nehmen ihn gar nicht richtig wahr, - bis er sich selbst ins Gespräch bringt, nach Ihrer Traurigkeit fragt … und versucht, ihnen die Geschehnisse aus der Heiligen Schrift zu erläutern …

 

„Doch sie waren mit Blindheit geschlagen!“ - so vermerkt es die Heilige Schrift! Sie waren ganz und gar gefangen in ihrer Trauer und ihrem Schmerz, unfähig, sich dem Leben zu öffnen. Der Tod Jesu am Kreuz hat alle Hoffnungen zerbrochen. Neues Leben war nicht in Sicht! Doch sie fassten Zutrauen zum unbekannten Begleiter und laden ihn ein, am Abend dieses Tages doch zu bleiben, die Reise zu unterbrechen. Erst als er mit ihnen bei Tisch war und das Brot brach, da erkannten sie ihn! Erst diese Begegnung und das offensichtlich noch vertraute Geschehen hat ihnen die Augen geöffnet, ihnen „Osteraugen“ geschenkt!

„Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn.“ (Lk 24,31)

 

Erfahrungen von persönlichem Leid, die Ohnmacht gegenüber Terror und Gewalt in der Welt können blind machen für die Zeichen des Lebens und der Hoffnung. Woher können wir dennoch neue Hoffnung schöpfen? Hoffnung wider alle Hoffnung, Vertrauen und Zuversicht? Gibt es jemand, der mich herausrufen kann aus meinem Leid, aus meiner Trauer?

 

Der Osterglaube entspringt immer der persönlichen Begegnung mit dem Auferstandenen! Er begegnet mir in seinem Wort und im unterwegs sein mit mir, wie er den Emmausjüngern begegnet ist. Er spricht mich an in einer unvermuteten Begegnung, wie es Maria von Magdala erfahren durfte, oder auch Paulus auf seinem Weg nach Damaskus. Er begegnet mir in erfahrener Gemeinschaft mit Schwestern und Brüdern im Glauben, denn - so verheißt uns Jesus - „wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Und dies vor allem beim „Brotbrechen“, wenn die Gemeinde Jesu sich versammelt zum Liebesmahl, in dem sie Tod und Auferstehung Jesu immer wieder feiernd vergegenwärtigt!

 

Die „geöffneten Augen“, die „Osteraugen“ verwandeln für die beiden Jünger die Welt: „Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück.“ (Lk 24, 33) Und sie vernehmen dort das Zeugnis der Jüngergemeinschaft und bringen ihre Begegnung mit dem Auferstandenen in dieses Zeugnis ein: „Sie erzählten …, was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach.“ (Lk 24, 35)

 

Herr, gib mir Osteraugen, damit ich dich sehen und dich als den Auferstandenen erkennen kann!