Erfüllte Zeit

01. 05. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Der Auftrag des Auferstandenen“ (Matthäus 28, 16 – 20)

Gerhard Langer

 

 

Matthäus schildert in seinen letzten Worten des Evangeliums die letzte Begegnung mit den Jüngern und den ultimativen Auftrag an sie.

 

Wie viele große Ereignisse im Leben Jesu findet auch dieses auf einem Berg statt. Traditionell ist der Berg die Stätte der Begegnung von Gott und Mensch, vor allem der Ort, wo die Gebote vermittelt werden. Das war bei Mose am Sinai so und bei Jesus in seiner von Matthäus so eindrücklich geschilderten Bergpredigt. In diesem symbolhaften Verständnis wird es natürlich müßig, den Berg zu lokalisieren. Er ist der Ort, den Jesus nennt. Dies erinnert an das Alte Testament, wo Abraham von Gott auf einen Berg geführt wird, den er ihm nennt. Es ist der Berg Moria, der spätere Tempelberg, wo Gott dem Menschen auf unvergleichliche Weise nahe ist. Ebenso auch hier. Jesus ist seinen Jüngern noch einmal auf unvergleichliche Weise nahe. Seine Größe und seine Erhabenheit nach dem Tod werden besonders deutlich im Ritual des sich vor ihm Niederwerfens der Jünger. Sie beten ihn an wie einen König. Für Matthäus hat Jesus durch seine Auferstehung die Weltenherrschaft übernommen. „Einige aber zweifelten“, schreibt Matthäus. (Nun ist nicht ganz klar, ob einige der 11 Jünger zweifelten oder ob diese Einigen Anhänger sind, die darüber hinaus noch am Berg anwesend sind. Am ehesten ist dabei an den Kleinglauben zu denken, den Matthäus immer wieder anspricht.) Die Jünger sind gespalten zwischen Gewissheit und Zweifel, zwischen Tatendrang und Mutlosigkeit.

 

Jesus macht es nun ihnen gegenüber klar. Ihm ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. War bislang seine Verkündigung von kritischen Beobachtern wie von Anhängern als machtvoll beschrieben worden, so haben der Tod und die Auferstehung diese Macht vollendet. Bei Matthäus bedeutet Macht Herrschaft über Krankheit und Leiden, die Fähigkeit, die Schuld zu vergeben, heilende Kraft, nicht zuletzt aber auch die Erkenntnis Gottes.

 

Die Macht Jesu ist im Laufe der Kirchengeschichte mit der Gewalt der Kirche verwechselt worden, mit dem Schwert und dem Feuer verbreitet und mit dem Hass auf die „Ungläubigen“ vermischt worden. Damit haben die Kirchen nicht nur viele Sympathien verspielt, sondern auch ihre moralische Legitimität der Nachfolge Jesu in Frage gestellt. Bis heute sind die Kirchen dort am glaubwürdigsten, wo sie heilen, helfen, Leid und Not lindern und sich mutig gegen die Mächtigen stellen. Jesu Macht bedeutet nämlich, dass die Macht der vermeintlich Großen, der Sieger und Helden, der Reichen und Starken, vor Gott nichts zählt.

 

Fast noch problematischer als die Rede von der Macht wurde in der Folge dieses Evangeliums der allgemeine Auftrag verstanden, alle Völker dieser Welt zu taufen und zu Jesu Jüngern zu machen. Zwar hat die Alte Kirche diesen Auftrag zur Mission nur auf die Zeit der Apostel beschränkt, ab dem 18. Jh. setzt sich jedoch durch, dass Jesus hier eine allgemeine und immerwährende Missionierung der Welt befehle.

 

Nach der Erfahrung des Kolonialismus und der brutalen Glaubenskriege ist die Weltmission vielfach in Misskredit gekommen. Der eigenständige Wert der Glaubensüberzeugungen anderer steht auch bei sehr vielen gläubigen Christen einem Befehl der Missionierung entgegen. Diese Bedenken sind meines Erachtens sehr ernst zu nehmen. Vor allem die Judenmission ist vielfach in Frage gestellt worden und viele lehnen sie heute vollständig ab.

 

Der Text des Matthäus lässt keine eindeutige Aussage darüber zu, ob mit allen Völkern auch die Juden gemeint waren. Der Begriff der Völker könnte auch als „alle Heiden“ gelesen werden. Doch selbst wenn man diese Ansicht nicht teilt, ist besonders der letzte Satz des Evangeliums wichtig, um die Aufgabe der Mission richtig zu verstehen. Die Völker sollen nämlich belehrt werden, „alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“. Die Gegenwart Jesu „alle Tage bis ans Ende der Welt“ bindet sich erneut an die Befolgung seiner Gebote, an das konkrete Tun. Nicht die Glaubenssätze machen die Menschen zu Jüngern Jesu, nicht die Dogmen der Kirchen, sondern der Dienst an Gottes Geboten, die Jesus der Welt verkündet hat.