Erfüllte Zeit

01. 05. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

Hubert Gaisbauer: Über den Heiligen Josef

Die alte Pfarrkirche meines Heimatortes ist dem Heiligen Josef und der heiligen Familie geweiht. Lebensgroß schreiten sie in goldenen Gewändern unter dem luftigen Altarbaldachin einher, als wäre sie gerade auf der Fußwallfahrt nach Jerusalem: Josef im besten Mannesalter, mit der Lilie in der Hand, Maria selbstbewusst und anmutig, zwischen beiden der Jesusknabe, noch sehr folgsam.

In der bildenden Kunst hat sich der heilige Josef einiges gefallen lassen müssen, zu oft haben ihn die Maler als griesgrämigen alten Mann dargestellt, der sich mit all dem, was um die Geburt dieses Kindes geschieht, überhaupt nicht auskennt. Aber es gibt auch intelligentere Darstellungen: Nahe meinem Heimatort liegt Kefermarkt, mit dem weltberühmten spätgotischen Flügelaltar. Da ist auf der Tafel von der Geburt Christi Josef aus einem Holz geschnitzt, dass ich ihn zum Nothelfer für alle jene erheben möchte, die nicht oder nicht mehr zuhören können. Horcht einmal her, scheint er mit Blick und Hand zu sagen - und sein Mantel bauscht sich über der Schulter so expressiv und kunstvoll, dass die Falten ein großes Ohr bilden, das wie ein Hörtrichter in die stille, heilige Nacht lauscht. Der Schöpfer des Kefermarkter Altares hat den heiligen Josef als den großen Hörenden dargestellt. Kein Wort liest man in der Bibel davon, dass er selber gesprochen hätte. Er ge-horchte den Engelsstimmen, auch im Traum war er „ganz Ohr".

Zuhören können ist eine heilsame Kunst. Damit sie wirksam werden kann, braucht es Menschen, die „ganz Ohr" sind. Braucht es viel von der horchenden Geduld des heiligen Josef von Kefermarkt mit dem großen Mantelohr.