Erfüllte Zeit

04. 05. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Das Abschiedsgebet des Herrn“ (Johannes 17, 1 - 11a)

von Gerhard Langer

 

 

Im heutigen Evangelium bittet Jesus Gott um die Verherrlichung im Angesicht des Todes. Der Tod soll nicht die letzte Macht sein, sondern die Auferstehung Zeichen der Stärke Gottes, die den Tod überwindet. Daran wird sich weisen, ob die Macht Jesu, allen das Leben zu schenken, real ist oder brüchig.

 

Die Überwindung des realen Todes steht in engem Zusammenhang mit der  geistigen Bedeutung des ewigen Lebens, die bei Johannes eine besonders hohe Stellung einnimmt.

 

Er sagt: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast.“

 

Jesus hat nicht einen zuvor unbekannten Gott verkündet, sondern den seit langem bekannten Gott Israels in seinem Wirken und Reden gegenwärtig gesetzt.

 

Jesus hat nach Johannes den Menschen seinen Namen offenbart, die ihm, Jesus, in dieser Welt geschenkt wurden. Dies bezeichnet die Gemeinde Jesu, die im Blick auf die Geschichte vor allem eine Gemeinde aus Nichtjuden geworden ist. Diese Kirche konkretisiert sich im „Festhalten an deinem Wort“. Wie schon mehrfach bindet damit Johannes die Gemeinde an das Wort Jesu zurück, an die Gebote, die er einschärft und die nichts anderes sind als die Gebote Gottes.

 

Eine Kirche, die sich an Gottes Gebote, an die durch Jesus vermittelte göttliche Weisung hält, wird von seiner Fürbitte begleitet.

 

Jesus bittet demnach eindeutig und unmissverständlich nicht für die Welt, die Johannes im 15. Kapitel als eine hassende beschreibt. Feindschaft und Unverständnis prägen diese Welt, deren bedrohliche Macht vor Gott keinen Bestand hat.

 

Die Rede Jesu offenbart die Schwierigkeit, der sich eine Gemeinde angesichts des offenbaren Verschwindens Jesu aus ihrer direkten Gegenwart ausgesetzt sieht. Er ist nicht mehr in der Welt, nicht mehr hörbar, spürbar, angreifbar. Aber er ist verherrlicht durch Gott im Tod und – dieser Aspekt ist besonders zu betonen – durch die Gemeinde. „In ihnen bin ich verherrlicht“, lässt Johannes Jesus in Vers 10 sagen und macht damit klar, dass in denen, die Gottes Worte beherzigen und danach leben, dass in der lebendigen Gemeinde Jesus selbst zu seinem Ziel kommt. Darin klingt ein Gedanke an, der in der jüdischen Tradition immer wieder begegnet. Gottes Herrlichkeit wird in der lebendigen Gemeinde offenbar. Wird diese Gemeinde bedrängt oder hört sie auf, im Dienste Gottes zu wirken, wird auch Gott selbst aus der Welt verdrängt. Die Gegenwart Gottes und – im christlichen Sinne gesprochen – die Gegenwart Christi in der Welt bindet sich daher an eine glaubende, bewahrende, die Gebote Gottes lebende Gemeinschaft. Umso wichtiger ist es, dass Gott diese Gemeinschaft schützt, sie bewahrt, sie von den Gefahren der Welt rettet. Immer wieder betont das Evangelium, dass der Mensch nicht alles aus sich heraus leisten muss, sondern auf die Hilfe Gottes vertrauen darf.

 

Jesu Fürbitte für die Gemeinde um den bleibenden Beistand Gottes gründet im Umstand, dass die Gemeinde erkannt hat, „dass alles, was du mir gegeben hast, von dir ist“. Damit bekräftigt Johannes, dass Jesus nicht losgelöst werden kann von dem Gott Israels, dass er nur mit ihm und nur durch ihn verstehbar wird. Was Jesus tut und was er lehrt, tut er aus der Kraft dieses Gottes, zu dem er jetzt zurückkehrt.