Erfüllte Zeit

12. 05. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Der Hass der Welt gegen die Jünger“

(Johannes 15, 26 – 16, 3. 12 – 15)
von Paul M. Zulehner

 

 

In der oststeirischen Stadt Weiz ist Pfingsten das wichtigste Fest im Kirchenjahr. 1997 hatte der Jahrhundert-Kardinal Franz König Weiz besucht und mit vielen jungen Menschen im Steinbruch Pfingsten gefeiert. Unvergessen sind seine visionären Worte an die im Steinbruch versammelten jungen Menschen:

 

„Einige Zeit vor dem letzten Konzil wurde Papst Johannes XXIII. gefragt, was er sich denn eigentlich vom Konzil erwarte. Und seine Antwort war: „Ich erwarte mir ein neues Pfingsten“. Und so ähnlich antworte auch ich, wenn ihr mich fragt, warum ich nach Weiz gekommen bin: „Ich erwarte mir von eurem Weizer Treffen ein neues Pfingsten.“

 

Markantes Erkennungszeichen eines solchen neuen Pfingsten ist die Wende von der Mutlosigkeit zu Christenmut. Das war schon beim ersten Pfingsten so. Jesus betrat den verriegelten Raum, in dem sich die frühkirchlichen Angsthasen aufhielten, durch die verschlossene Tür. Und mit dem Ruf „Empfanget den Heiligen Geist“ macht er die Türen für die in ihrer Angst Verschlossenen weit auf. Angst und Mutlosigkeit sind Symptome des Geistmangels. Gottes Geist – das heutige Evangelium nennt ihn deshalb den Beistand – aber macht wagemutig und kampfstark. Kontemplation und Kampf verwachsen in der Kraft des Geistes, so der große Roger Schutz von Taizé. Geistvolle kämpfen um eine gerechtere Welt und lassen sich nicht dadurch von ihrem Einsatz abbringen, dass sich nachhaltige Erfolge nur langsam einstellen. Geistvolle Kirchenmitglieder resignieren auch in Zeiten eines tiefgreifenden Kirchenumbaus nicht, sondern zeigen wache Fantasie und loyalen Kirchenmut.

 

Ein neues Pfingsten könnte ökumenisch mutige Schritte möglich machen: Der römisch-katholischen Kirche nicht nur auf die Orthodoxie, sondern auch auf die Kirchen der Reformation hin. Das Sekretariat für die Nichtglaubenden, unter Kardinal König hatte es seine Blütezeit, würde neu belebt. Es gäbe auch innerkatholisch mutige Reformen: Zumindest könnten neue Möglichkeiten in kontrollierten Experimenten ausgetestet und auf ihre weltkirchliche Tauglichkeit hin geprüft werden. Dann könnte beispielsweise der prophetische Satz von Josef Ratzinger aus dem Jahre 1970 eine Chance bekommen, wo er für die Kirche im Jahr 2000 prophezeite:

 

„Sie [die Kirche im Jahr 2000] wird sich sehr viel stärker gegenüber bisher als Freiwilligkeitsgemeinschaft darstellen, die nur durch Entscheidung zugänglich wird. Sie wird als kleine Gemeinschaft sehr viel stärker die Initiative ihrer einzelnen Glieder beanspruchen. Sie wird auch gewiss neue Formen des Amtes kennen und bewährte Christen, die im Beruf stehen, zu Priestern weihen: In vielen kleineren Gemeinden bzw. in zusammengehörigen sozialen Gruppen wird die normale Seelsorge auf diese Weise erfüllt werden. Daneben wird der hauptamtliche Priester wie bisher unentbehrlich sein.“

 

Ein solcher Papst, der noch mehr als bisher auf den Beistand des Geistes setzt, würde dann nicht besorgt über den Priestermangel klagen und die wenigen Priester nicht zum Tragen von noch größeren pastoralen Lasten auffordern, sondern alles ihm Mögliche tun, um den Priestern und den vielen Engagierten in der Kirche Lasten abzunehmen. Er würde wagemutig aus der Kraft des Geistes neue Wege eröffnen, die ihm vor dreißig Jahren schon einleuchtend erschienen sind.

 

Im Wissen um Gottes unberechenbaren Geist würden die Päpste nicht zuletzt auch davor zurückscheuen, – allein auf bisherige Erfahrungen gestützt – ein „Nie-und-nimmer“ zu sprechen.

 

Damit hatte schon der erste Papst schlechte Erfahrungen gemacht. „Nie und nimmer“, so Petrus, werde er von den unreinen Speisen essen, so berichtet die Apostelgeschichte. Dabei ging es damals um die folgenschwere Frage, ob man Jude unter dem Gesetz werden muss, bevor man die Freiheit des Christen erfahren darf. In Joppe musste Gott Petrus belehren, dass sein „Nie-und-nimmer“ nur seinen bisherigen begrenzten Erfahrungen, nicht aber dem weiten Horizont des Gottesgeistes entspricht.

 

Auch in der Neuzeit haben Päpste übermutig ein solches „Nie-und-nimmer“ riskiert: „Nie und nimmer“ wird sich der Pontifex Romanus mit den modernen Freiheitsrechten – einschließlich der Religionsfreiheit anfreunden: so Pius IX. 1864. Und 1983 Johannes Paul II.: „Nie und nimmer“ werden Frauen ordiniert werden. Muss aber nicht auch heute ein Papst damit rechnen, dass Gott ihn eines anderen belehrt, was nicht mehr in den bisherigen Erfahrungen der römisch-katholischen Kirche gründet, weil Gottes Geist in bislang ungewohnte Weite führt? Vielleicht geschähen solche Papstträume heute nicht in Joppe, sondern im Vatikan, vielleicht käme der Gottesgeist nicht in Träumen, sondern in einer Kirchenversammlung?

 

Ich wünsche mit Kardinal König nicht nur Weiz, sondern der ganzen Kirche ein neues Pfingsten. Ein solches brächte eine mutigere Kirche. Eine mutigere Kirche wäre aber ein Segen für eine von Mutlosigkeit gefährdete Welt.