Erfüllte Zeit

22. 06. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Aufforderung zu furchtlosem Bekenntnis“ (Matthäus 10,26 – 33)

von Veronica-Maria Schwed

 

 „Fürchtet euch nicht!“, sagt Jesus drei Mal im heutigen Evangelium.

Fürchtet euch nicht vor den Menschen!

Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können.

Fürchtet euch also nicht!

Dieser Text wurde in der Zeit der ersten Christenverfolgung geschrieben, in einer Zeit der drohenden Gefahr. Die Menschen hatten allen Grund sich zu fürchten! Sollte es ihnen so ergehen, wie ihrem Herrn? Wie würde es weitergehen mit dieser noch kleinen Schar „Menschen des neuen Wegs“? Im Namen Jesu ermutigte sie der Evangelist. Er machte ihnen bewusst, dass die Verfolger nur dieses Leben bedrohen können, dass Menschen nur den Leib töten können, nicht aber die Seele.

Das Leben nach dem Leben bleibt davon unangetastet.

Das ist keine billige Jenseitsvertröstung, sondern Hoffnungsbotschaft für jene, die wissen, dass sie in Gefahr sind dieses irdische Leben für ihren Glauben zu verlieren. Matthäus stärkt ihr Vertrauen, dass das nicht umsonst ist.

Der heutige Evangeliumstext hat Menschen in der Verfolgung Mut gemacht. In einer Situation, die wir uns heute in Österreich zum Glück nur schwer vorstellen können. Für uns gilt mehr oder weniger: Glaube ist Privatsache, jede und jeder soll glauben, was er oder sie will.

Als Christin, die am Sonntag den Gottesdienst mitfeiern möchte, die in der Familie vor dem Essen betet und der Kirche wertvoll ist, werde ich vielleicht von Manchem schief angesehen und für weltfremd gehalten, doch echte Nachteile muss ich nicht in Kauf nehmen.

Dennoch ist dieses Evangelium auch für Menschen heute hier in unserem Land Wort Gottes, frohe Botschaft, gültige Zusage mit hoher Aktualität, denn: Sehr viele Menschen leiden heute an Ängsten. Da quälen Versagensangst oder Existenzangst, Beziehungsangst oder Angst vor Naturkatastrophen, Verlustangst, Menschenangst und viele mehr.

Angst hat immer mit Enge zu tun.

Wenn Jesus auffordert: „Hab keine Angst!“, dann sagt er: „Leg deine Enge ab! Werde ein weiter, großzügiger, vertrauensvoller Mensch.“

Er sagt das nicht nur einfach dahin, sondern er gibt dazu auch das Rüstzeug mit: Er stärkt das Selbstbewusstsein, indem er sagt: „Bei euch sind sogar die Haare auf dem Kopf gezählt!“ Der Satz wird oft missverstanden, in die Richtung: „Was ist das für ein kleinlicher Gott, der sogar meine Haare zählt!“ Vielfach wird damit Kontrollsucht assoziiert. Da geht es aber nicht um Kontrolle, sondern um liebevolle Zuwendung: So viel Aufmerksamkeit schenke ich doch nur jemandem, der mir unendlich wichtig ist!

Konkret bedeutet das: Gott kennt jede meiner Regungen. Er weiß über mich Bescheid, weil Er mich liebt. Darauf kann ich mich verlassen, das ist der Boden auf dem ich stehe. Das gibt mir Sicherheit: Wenn ich von Gott so sehr geliebt werde, wenn Er mir so viel Aufmerksamkeit schenkt, wenn Er sich so um mich sorgt, brauche ich mich nicht zu fürchten.

Wie ein Kind sich bei seinen Eltern sicher und geborgen fühlt, so darf ich mich sicher bei Gott wissen.

Diese Erfahrung der Menschen wird in vielen Psalmen ausgedrückt.

Aus dem Psalm 139, meinem Lieblingspsalm, möchte ich einige Verse herausgreifen, weil sie in besonders schöner Weise diese Geborgenheit in Gott ausdrücken:

 

Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich.

Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir. Von fern erkennst du meine Gedanken.

Ob ich gehe oder ruhe, es ist dir bekannt; du bist vertraut mit all meinen Wegen.

Noch liegt mir das Wort nicht auf der Zunge - du, Herr, kennst es bereits.

Du umschließt mich von allen Seiten und legst deine Hand auf mich.

Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen, zu hoch, ich kann es nicht begreifen.

Nehme ich die Flügel des Morgenrots und lasse mich nieder am äußersten Meer,

auch dort wird deine Hand mich ergreifen und deine Rechte mich fassen.

Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich, und erkenne mein Denken!

Sieh her, ob ich auf dem Weg bin, der dich kränkt, und leite mich auf dem altbewährten Weg!