Erfüllte Zeit

17. 08. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Erhörung der Bitte einer heidnischen Frau“

(Matthäus 15, 21 – 28)

von Pfarrer Helmut Schüller

 

 

Einmal angenommen, es beginnt einer unserer Gottesdienste und alles ist wie sonst, das Lied wird gesungen, alle sind still und alles ist geordnet vorbereitet und kurz bevor das „Herr erbarme dich unser“ gebetet wird, schreit eine Frau aus einer Kirchenbank in deutlich ausländischem Akzent: “Herr erbarme dich meiner“. Ich denke, die Gemeinde würde damit schwer umgehen können. Was soll diese Störung der Ordnung, noch dazu eine Ausländerin, die vielleicht gar nicht katholisch ist? Was macht die hier in unserem Gottesdienst? Und wir würden wahrscheinlich keine sehr gute Figur machen in diesem Zusammenhang. Aber auch was Matthäus überliefert in diesem Evangelium, lässt ja die Jünger auch nicht gerade gut aussehen. Seine Frau, eine Syro-Phönizierin, eine  Kanaanäerin, also für Israeliten eine Ausländerin, eine Heidin eine Ungläubige, wendet sich an Jesus, kommt ganz nah an ihn heran und schreit und die Jünger sind beunruhigt: „Bring sie zum Schweigen! Mach, was sie will! Sie schreit sonst hinter uns her!“ Kein Ruhmesblatt für die Jünger, trotzdem wird es überliefert, weil offensichtlich doch hinter diesem ungestümen und etwas ungehobelten Verhalten dieser Frau wesentliche Dinge gesteckt haben, die sogar durch die Ungehaltenheit der Jünger durchgedrungen sind.

Dieses dreifache „Herr erbarme dich, Herr, komm mir zur Hilfe, Ja, Herr, aber“ hat in seiner Ungestümheit, in seiner Ungeduld und in seiner Unbeirrtheit doch sehr viel von dem transportiert, was Glaube eigentlich ist. Und dich denke mir manchmal, wenn unser dreifaches „Herr erbarme dich unser“ so von den Lippen kommt bei den Sonntagsgottesdiensten, weil es eben vorgesehen ist, dann könnten wir etwas von dieser Syro-Phönizierin oft ganz gut brauchen. Denn der Glaube, der auch permanent zur Gewohnheit werden kann, der permanent auch zu so etwas wie Tradition und einfach ein Stück Sonntagskultur werden kann, der braucht diese Auffrischung. Aber dann sind auch da die drei Hürden, die Jesus ihr in den Weg stellt. Zunächst einmal hört er sie nicht. Sie muss sich hörbar machen. Dann weist er darauf hin, dass er zuerst zu den Israeliten gesandt ist, eine eindeutige Spitze gegen ihre Herkunft als Kanaanäerin, als Syro-Phönizierin. Und schließlich dieses Wort, dieses unfreundliche Wort von den Brotstücken, die zuerst für die Kinder da sind und nicht für die Hündlein, wie es heißt, die da herumrennen. Und genau hier wieder dreht die gute Frau den Spieß um und bringt Jesus offensichtlich wirksam zum Schweigen und zum Staunen: „Ja, aber auch für die Hündlein ist noch genug da.“ Und dann hört sie ein ganz großes Lob, eine ganz große Anerkennung: “Dein Glaube ist groß, dein Glaube ist stark.“ Und Glaube, das ist etwas, von dem die Israeliten gedacht hätten, das wäre ihnen reserviert, sie haben den rechten Weg zum Glauben, sie wissen, wie man glaubt und sie haben die Grundlagen des Glaubens, sie haben die Bibel, sie haben das Gesetz, sie haben den Gottesdienst, sie haben die Schriftgelehrsamkeit, sie wissen, wie man glaubt. Und da sagt Jesus dieser Quereinsteigerin, gewissermaßen im Glauben: “Dein Glaube ist groß.“ Einige Kapitel davor im Matthäusevangelium erkennt Jesus auch einen Nichtisraeliten als großen Glaubenden an. „Solchen Glauben habe ich in Israel noch nicht gefunden“, sagt er über den römischen Hauptmann. Die Matthäusgemeinde, die dieses Evangelium weitergibt, hat nie vergessen diese Frische, diese Ungestümheit, die Unbeirrbarkeit im Glauben dieser Frau. Und sie hat offensichtlich auch auf unsere Tage hinauf etwas weiterzugeben, nämlich, dass unser Glaube immer etwas von dieser Frische, von dieser Unkontrollierbarkeit, von dieser Ungestümheit behalten muss. Die Jünger haben damals keine gute Figur gemacht, die machen sie heute gewiss auch nicht immer, aber dazu ist ja das Evangelium da, uns wieder daran zu erinnern, dass Glaube im Sinne und im Geiste Jesu immer etwas Neues, Ungewohntes, irritierend Aufrichtiges, Unbequemes, Unbeirrbares ist und dieser Glaube hilft weiter.