Erfüllte Zeit

24. 08. 2008, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Für wen haltet ihr mich?“ (Matthäus 16, 13 – 20)

von Regens Nikolaus Krasa

 

 

Herr Doktor, Frau Magister, Herr Diplomingenieur, Frau Professor, Frau Hofrat – guten Morgen? Zu viel Titel auf nüchternen Magen? Ich erinnere mich an einen Kellner in einem Lokal, der seine Gäste grundsätzlich mit einem Titel ansprach, mit dem richtigen, falls er ihn kannte und mit Herr Doktor, falls er ihn nicht kannte...

 

Der richtige Titel gehört bei uns irgendwie zum guten Ton. Nur mit Namen angeredet zu werden, klingt fast unhöflich. Der Titel ist mehr als schmückendes Beiwerk, es sagt etwas aus über die Funktion, die ein Mensch hat, vielleicht sogar etwas über sein Wesen...

 

Mit einer wahren Titelflut wurden wir im heutigen Evangelium konfrontiert. Jesus scheint die Anrede mit dem richtigen Titel geradezu herauszufordern: Wofür halten die Menschen den Menschensohn? Und Petrus, der die richtigen Titel nennt: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“, wird dementsprechend gelobt: „Selig bist du Simon, Bar Jona...“

Um die richtigen Titel, um ihre Verwendung und damit  auch um jene die diese Titel tragen geht es also im Tagesevangelium.

 

Da ist zunächst einmal Jesus. Er beginnt damit, sich selbst mit einem Titel zu umschreiben. „Für wen halten die Leute den Menschensohn.“ Menschensohn. Im Buch Daniel finden wir diesen Titel das erste Mal für eine geheimnisvolle, von Gott kommende Gestalt. Und geheimnisvoll bleibt der Titel auch bei Matthäus. Immer wieder hat Jesus bis zum heutigen Evangelium so von sich gesprochen. Immer blieb er von der Menge unverstanden. Ab jetzt wird er bis zu seiner Passion sich so öffentlich nicht mehr bezeichnen. Erst auf die Frage des Hohepriesters, ob er denn der Christus und der Gottessohn sei, wird sich Jesus wieder öffentlich Menschensohn nennen. Dieses Unverständnis, den Titel „Menschensohn“ betreffend, wird auch aus der Antwort der Jünger auf die Frage Jesu klar: Die Menschen halten ihn für den auferstandenen Johannes den Täufer, oder den wiedergekommenen Propheten Jeremia (vielleicht eine volkstümliche Erwartung). Jesus könnte aber auch nur einfach ein neuer Prophet, ein Gottesmann eben sein.

Auf die nochmalige Nachfrage Jesu – „Für wen haltet ihr mich?“ – macht sich Petrus zum Sprecher der Jünger. „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Gleich zwei Titel in einem Satz.

 

Jesus ist der Christus (der gesalbte, heißt dieses griechische Wort, auf hebräisch der Messias). Auch das Wort Christus hat seine Vorgeschichte bei Matthäus. So hat ja das Matthäusevangelium begonnen: Stammbaum Jesu Christi. Und zusammenfassend dann am Ende des Stammbaumes: Von Maria wurde Jesus geboren, der der Christus genannt wird. Nach der heutigen Evangelienepisode taucht der Titel Christus nur mehr in der Unterweisung der Jünger Jesu auf. Öffentlich wird er erst wieder im Prozess, und da verbunden mit dem zweiten Titel, Sohn Gottes. Der Hohepriester fragt da Jesus, ob er der Messias, der Sohn Gottes sei. Stärker noch als der Begriff Menschensohn haben beide Titel – Messias und Sohn Gottes - klingende alttestamentliche Wurzeln. In der Erwartung einer ähnlichen Lichtgestalt wie David liegen die Wurzeln der Messiashoffnung, die sich vielfach abgewandelt durch die Geschichte Israels zieht. Der Titel „Sohn Gottes“ wird in der Schrift einerseits im Zusammenhang mit dem König verwendet, aber auch einfach für das ganze Volk. Zusammenfassend: Die Hoffnung auf Erneuerung, auf Veränderung, auf Rettung, sie bündelt sich in Christus, dem Sohn Gottes, dem Messias.

 

Für die Apostel, als deren Sprachrohr Petrus heute auftritt ist das das Ergebnis ihres Weges mit Jesus, vielleicht erinnern Sie sich noch an die Episode mit dem Seesturm, an deren Ende das Apostelbekenntnis steht: Du bist Gottes Sohn. Der Rest seiner Zeitgenossen kommt nicht zu diesem Schluss, für den Hohepriester werden die Titel sogar zur Anklage an Jesus.

 

Es ist also nicht gleichgültig, welchen Titel jemand bekommt, vor allem wenn es um so gewichtige geht. Und es ist biblisch gesehen nicht gleichgültig, ob ich diesen Titel Jesus zuspreche oder nicht. Das Bekenntnis zu Jesus dem Christus, dem Gottessohn wird zu einem Fels, auf dem ein Leben aufgebaut werden kann, zu einem Fels, der Petrus, den Jüngern Halt gibt. Und so ist wahrscheinlich der letzte Titel des heutigen Evangeliums zu verstehen: „Du bist Fels, Kefa, Petrus“.