Erfüllte Zeit

18. 01. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die ersten Jünger“

(Johannes 1, 35 – 42)

von Veronica Maria Schwed

 

 

Zwei Fragen werden im heutigen Evangelium gestellt.

Die eine ist eine Frage Jesu an die beiden Jünger, die zu Jesus kommen. Jesus fragt sie: „Was sucht ihr?“ (Die Einheitsübersetzung schreibt: „Was wollt ihr?“, doch „Was sucht ihr“ trifft wohl besser die Situation der beiden Menschen und entspricht auch dem griechischen Text.)

 

Die zweite Frage stellen eben diese beiden Jünger. Sie fragen Jesus: „Rabbi, wo wohnst du?“ Die Antwort Jesu lautet: „Kommt und seht!“

 

Ein seltsamer Dialog! Dieses Gespräch ist typisch für den Evangelisten Johannes, der mit vielen kleinen Details deutlich machen möchte, dass Jesus der erwartete Messias ist. Das beginnt damit, dass hier Jünger von Johannes dem Täufer zu Jesus wechseln und das sogar auf ein Wort des Propheten hin. Einem großen Bekenntnis: „Seht, das Lamm Gottes“. Und es wird in eben diesem Dialog weitergeführt. Die Frage Jesu richtet sich an die Lebensmitte der beiden Männer: „Was sucht ihr?“, das heißt: „Wonach sehnt ihr euch?“, „Was ist euer Lebensziel?“ „Wonach richtet ihr euer Leben aus?“

 

Und die Gegenfrage der beiden „Wo wohnst du?“, drückt kein Interesse an einem bestimmten Ort aus, sondern sie richtet sich an die Lebensmitte Jesu: „Wo sind deine Wurzeln?“, „Welchen Ursprung hast du?“, „Wer bist du?“, „Wo können wir dir begegnen? Wo dich besser kennen lernen?“ Und dann die pragmatische Antwort Jesu: „Kommt und seht!“

 

Dieser Text erscheint mir wegweisend für eine jede Beziehung mit Jesus Christus. Ich finde es sehr spannend und letztlich notwendig, diesen Dialog persönlich mit Jesus zu führen. Dazu muss ich mich erst einmal auf den Weg machen, mich neu orientieren und Jesus folgen, wie diese beiden Jünger. Dann wird auch mir die Frage gestellt: „Was suchst du?“

 

Was antworte ich auf diese Lebensfrage? Wonach sehne ich mich? Was ist mein Lebensziel? Wonach richte ich mein Leben aus?

 

Verunsichert und scheu stelle auch ich die Frage: „Rabbi, wo wohnst du?“

Immer wieder will ich wissen: „Jesus, wer bist du?“ „Wer bist du mir?“ „Wo kann ich dir begegnen?“ „Wo dich besser kennen lernen?“

 

Es sind das lebensbegleitende Fragen, auf die ich mehrere Antworten erfahren habe.

So ist eine Antwort sicher im Wort Gottes, in der Heiligen Schrift zu finden. „Tolle, lege! Nimm und lies!“, lautete der Auftrag, den der Heilige Augustinus zu seiner Bekehrung erfuhr, und ich meine, er gilt auch heute. Wer Jesus kennen lernen will, muss die Bibel nehmen und darin lesen.

 

Eine weitere Begegnungsform, eine „Wohnung des Herrn“, ist die Feier der Eucharistie, die Gemeinschaft mit ihm in seinem Leib und Blut. Wer Jesus kennen lernen will, bedarf der Gemeinschaft der Kirche.

 

Die dritte Möglichkeit der Begegnung mit Jesus ist die im Nächsten. In jedem Menschen, der meiner Hilfe bedarf, in jeder und jedem, die, bzw. der mir begegnet, ist Jesus gegenwärtig. – Ein spannender Gedanke, der mich eigentlich überfordert. Wenn ich mir diese Wahrheit bewusst mache, merke ich erst, wie wichtig Begegnungen sind, wie kostbar und einzigartig. Jede birgt eine Chance der Christusbegegnung in sich. Wer Jesus kennen lernen will, muss sich dem Nächsten öffnen.

 

Jesus lädt auch mich ein: „Komm und sieh! Hör das Wort Gottes an, nimm Teil an der eucharistischen Gemeinschaft, finde Jesus im Nächsten.“