Erfüllte Zeit

22. 02. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Heilung eines Gelähmten“ (Markus 2, 1 – 12)

von Gerhard Langer

 

 

Das Evangelium des heutigen Sonntags schildert eine der bekanntesten Heilungsgeschichten Jesu. Trotzdem oder gerade deshalb lohnt es, etwas genauer hinzusehen, was da eigentlich passiert. Denn diese Geschichte weist nicht wenige Wendungen auf. Zuerst ist da die Rede vom vielen Volk, das Jesus daran hindert, ungestört seine wohlverdiente Ruhe zu Hause zu genießen. Also widmet er sich ihm und lehrt. Was er lehrt, erfährt man jedoch nicht, denn mitten in die Rede hinein bringt man mit viel Mühe einen Kranken zu ihm. Die jetzt folgende Krankenheilung setzt dadurch ein, dass Jesus den Glauben der Menschen feststellt, der sich wohl darauf bezieht, dass sie keine Mühen scheuten und selbst das Dach abdeckten, um den Kranken zu ihm zu transportieren.

 

Dann heilt er aber nicht einfach, sondern spricht den Kranken von seinen Sünden frei und löst durch diese autoritäre Handlung Fragen zu seiner Vollmacht aus. Er setzt dem Ganzen noch eine besondere Spitze auf, indem er fragt: „Ist es leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben!, oder zu sagen: Steh auf, nimm deine Tragbahre, und geh umher?“

 

Und den Kranken schließlich umhergehen lässt. Die Überraschung des Volkes ist ihm sicher.

 

Worauf will diese Erzählung nun aber hinaus? Sicherlich nicht auf eine bloße Heilungsgeschichte. Vielmehr geht es hier einmal um den Machterweis des Christus, der in einer so besonderen Nähe und Beziehung zu Gott selbst steht, dass er die Sünden vergeben kann. Sie gilt als eigentliche Ursache der Krankheit. Damit tun wir uns heute sehr schwer und wir kritisieren zu Recht Menschen, auch Vertreter der Kirchen, wenn sie von einem Zusammenhang von Krankheit und Sünde sprechen, von Aids als Geißel Gottes reden oder Naturkatastrophen mit dem mangelnden Glauben der Menschen in Verbindung bringen. Tatsache ist aber, dass das antike Weltbild, in dem unsere Bibel entsteht, diesen Zusammenhang nicht leugnet. Vielleicht müssen wir ihn heute differenzierter deuten, ihn eher in den Kontext einer ganzheitlichen Medizin setzen. Denn niemand wird heute bestreiten, dass psychische Elemente maßgeblich physische Auswirkungen haben. Was also – religiös gesprochen – von der Seele her kommt, hat Auswirkungen auf den Körper. Wer sich falsch verhält, wer seine Seele also längerfristig mit gemeinschaftsschädigendem Verhalten belastet, wird es vielleicht früher oder später auch körperlich spüren. Hass, Neid und Gier können den Körper lähmen.

Unser Text sagt letztlich, dass der Glaube an Jesus diese Art von Lähmung aufheben kann. Im Blick auf das gesamte Evangelium muss man wohl ergänzen, dass dies nicht nur bedeutet, Jesus als Messias zu bekennen. Vielmehr beinhaltet es sehr wohl auch eine radikale Änderung des Lebens. Wer sein bisheriges Verhalten weiterführt, wird nicht lang gesund bleiben. Erst wer ernst damit macht, Körper und Seele neu auszurichten auf das, was vor Gott wirklich zählt, wird ganzheitlich gesund werden. Was aber ist nun mit den vielen chronisch leidenden Menschen, die keineswegs als Sünder zu betrachten sind? Ihnen gilt die tröstende Botschaft, dass Gott auf Seiten der Leidenden steht und dass niemand leichtfertig über einen anderen richten soll.