Erfüllte Zeit

01. 03. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Versuchung Jesu“

(Markus 1, 12 – 15)

von Gerhard Langer

 

 

Das Evangelium des heutigen Sonntags ist voller Anklänge an die Geschichte des biblischen Propheten Elija, der am Anfang des 9. vorchr. Jh. lebte. Als dieser sich vor der Königin Isebel, deren Politik er aufs Schärfste bekämpfte, in die Wüste zurückzieht und bereits an Gott selbst zu zweifeln beginnt, kommt ein Engel und ernährt ihn. Gestärkt wandert er schließlich 40 Tage und Nächte zum Gottesberg, wo Gott ihm erscheint, Kraft gibt und politische Anweisungen. Im Evangelium fehlt die böse Frau. An ihrer Statt lauert der Satan, der Versucher, um Jesus in die Irre zu führen. Wie er dies tut, davon erfahren wir an dieser Stelle nichts, wohl aber in der Parallele des Matthäus. Doch kommt es gar nicht auf den Inhalt an. Der Versucher ist vielmehr ein Versatzstück der Wüstenerzählungen, ein oftmals vorkommendes Requisit der Berichte von den vielen Gefahren, die hier, am Ort der Gottferne, lauern.

 

Bei Elija kam die Gefahr von der politischen Elite, von König Ahab und seiner Frau Isebel, deren Herrschaft er als gottlos brandmarkte. Im Evangelium hat diese Rolle Herodes übernommen, der den Johannes, den Täufer, ins Gefängnis werfen ließ, weil er ihm unbequem geworden war. Eben ein neuer Elija.

 

Die Verkündigung des Evangeliums in Galiläa wird auf dem Hintergrund der Elijaerzählung zur Kampfansage an das politische Establishment. Die Rede von der Umkehr und der Nähe des Reiches Gottes kann als direkter Affront gegen das Haus des Herodes verstanden werden. Wie man überhaupt Jesu Leben und Handeln nicht loslösen kann von politischen Aktionen und Wirkungen. Das Reich Gottes, das Jesus verkündet, ist eben keine Angelegenheit außerhalb und jenseits dieser Welt. Es ist mitten unter uns, in unseren sozialen und gesellschaftlichen Realitäten.

 

Von Johannes dem Täufer übernimmt Jesus den Auftrag zur Umkehr, dem Hauptbestandteil von dessen Botschaft. Umkehr ist eine der wichtigsten Elemente jüdischer Frömmigkeit. Für sie, so heißt es, hat Gott immer ein offenes Ohr. Sie ist immer und selbst noch im Augenblick des Todes sinnvoll und wirkungsvoll.

 

An unserer Stelle heißt es: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“.

Das könnte man nun so verstehen, als wäre der Glaube an die Botschaft Jesu gleichbedeutend mit der Umkehr. Viel wahrscheinlicher jedoch ist eine Abfolge. Demnach ist die Umkehr, genauer die Abkehr vom bisherigen Leben die Grundvoraussetzung der Annahme des Glaubens. Denn der Glaube ohne Umkehr bliebe eine leere Hülle, ein wirkungsloses Fürwahrhalten. Erst die Umkehr, erst die radikale Wende des konkreten Lebens, die Erneuerung des Alltags, die Veränderung der sozialen, gesellschaftlichen und auch politischen Werthaltungen macht Glaube möglich.

 

Hier steht auch nicht: „Glaubt an mich!“ Ein solches Wort findet man nur im Johannesevangelium. Nur dort erhält man gelegentlich den Eindruck, dass Glaube die unumstößliche Anerkennung der Sohnschaft und Gottschaft Jesu meint. Anders bei den Synoptikern. Hier hat Glaube ganz im jüdischen Sinne mit Vertrauen auf das Wirken Gottes zu tun.

 

 „Glaubt an das Evangelium“ bedeutet dann: Vertraut, dass Gott mithilfe dieses Jesus diese Welt verwandelt. Nehmt daran teil, werdet ein Stück dieser neuen Welt. Und lasst die alte hinter euch.