Erfüllte Zeit

08. 03. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Verklärung Jesu“

(Markus 9, 2 – 10)

von Regens Nikolaus Krasa

 

 

Wenn ich Freitag zeitig in der Früh zur Messe in den Stephansdom gehe, wähle ich bewusst den längeren Weg in die Sakristei. Er führt mich durch das Riesentor in das noch dunkle Kirchenschiff. In der Stille des Morgens sind da nur die unteren Meter der gewaltigen Pfeiler sichtbar. Nach oben verlieren sie sich im Dunkel, genau so die Außenmauern. Das Gewölbe ist nicht zu erkennen. Im Laufe des Gottessdienstes wird es dann hell und nach und nach sind die gewaltigen Ausmaße des Domes erkennbar, der Zusammenhang der einzelnen Bauteile. Was vorher noch einzelne erkennbare architektonische Elemente waren, ist jetzt ein großes Ganzes geworden.

 

Ähnliche Erfahrungen gibt es wohl auch in meinem Leben, denke ich mir dann, wenn ich nach der Messe auf den Bus warte, sehr oft erkennen wir nur Elemente, Teile unseres Lebens, das Tagesprogramm, die nächsten Schritte die anstehen, in Krisenzeiten manchmal auch nur scheinbar unzusammenhängende Lebensbrocken. Dann aber gibt es die Momente, in denen alles plötzlich einen Sinn, einen Zusammenhang hat. Die verschiedenen Lebensbereiche, die Aufgaben, die Hürden und Hindernisse. Nicht umsonst sagen wir manchmal: „Da ist mir ein Licht aufgegangen“, oder „Es ist klarer geworden“.

 

Von drei Erfahrungen dieser Art erzählt auch das Markusevangelium, von drei Erfahrungen dieser Art, die fast so etwas wie das Rückgrat, das Gerippe des Evangeliums darstellen. Nicht umsonst steht eine dieser Erfahrungen am Beginn, eine in der Mitte, eine am Ende von Markus. Um diesen Zusammenhang klar zu machen, hat Markus die drei Stellen auch textlich miteinander verbunden. So markiert er den Weg und gleichzeitig auch das Ziel seines Evangeliums.

 

Aber langsam, nochmals von vorne. Zunächst die drei Stellen. Am Beginn des Evangeliums ist es die Taufe Jesu, in der Mitte unser heutiger Abschnitt, die Verklärung also, und am Ende die Kreuzigungsszene. Was die textliche Verbindung betrifft, findet sich die in der jeweiligen Anrede Jesu: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.“ So die Himmelsstimme bei der Taufe. „Das ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.“ Die Stimme aus der Wolke bei der Verklärung Jesu. „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.“ So schließlich das Bekenntnis des römischen Hauptmanns unter dem Kreuz. Taufe Jesu, Verklärung und Kreuz und Auferstehung gehören also engstens zusammen, mehr noch, durch den jeweils kommentierenden Text wird klar, dass es dabei zentral um diesen Jesus von Nazareth geht, um sein besonderes Verhältnis zu Gott, um sein Gott-Sohn-Sein. Und damit sind wir bereits beim Dritten, bei Weg und Ziel des Evangeliums. Weg und Ziel des Evangeliums ist, dass diese Frohe Botschaft (das heißt ja Evangelium auf Deutsch, und diesen Titel hat Markus auch seiner Schrift gegeben: Evangelium Jesu Christi) bei uns ankommt, dass sich die Bruchstücke dessen, was wir von Jesus wissen, erfahren haben zu einem Ganzen zusammenfügen, eben zu jenem dreifachen Bekenntnis: Der ist Gottes Sohn.

 

Eine – vielleicht nachdenklich stimmende – Nachbemerkung: Die drei Jünger begreifen im Moment der Verklärung, werden aufgefordert zu hören, und doch werden sie in der Schilderung von Markus nicht unter dem Kreuz stehen (und vorher schon einige Male von Jesus wegen ihres Unglaubens getadelt werden). Unter dem Kreuz steht, nach damaligem Verständnis ein Heide, ein römischer Soldat. Er bekennt, was Sache ist: Der ist Gottes Sohn. Allerdings: Es ist der auferstandene Sohn Gottes, der eben diese Jünger nach Ostern neu sammelt und sendet und jetzt hat Ostern sie verwandelt, jetzt sitzt das Bekenntnis so, dass sie es unter Einsatz ihres Leben hinaus in die Welt tragen.