Erfüllte Zeit

15. 03. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Vertreibung der Händler aus dem Tempel“ (Johannes 2, 13 – 25)

von Regens Nikolaus Krasa

 

 

Jetzt dreht er durch. Die eben im Evangelium geschilderte Szene spielt nicht irgendwo. Wir befinden uns im Jerusalemer Tempel, genauer in jenem Bereich des Tempels wo die Tiere verkauft werden, die dann im Tempel geopfert werden sollen. Hier kann man auch die Münzen wechseln, die für die finanziellen Beiträge an den Tempel vorgesehen sind. Was Jesus tut ist also nicht nur eine Demonstration dafür, dass er auch durchgreifen kann, er bringt das Herzstück des Tempels, die verschiedenen Opfergottesdienste in Gefahr. Ausserdem leitet Johannes seine Szene bewusst mit einer Zeitangabe ein: Es ist Pascha, Ostern. Der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus schreibt etwa 30 Jahre nach der geschilderten Szene von gezählten 255600 Lämmern, die zum Pascha im Tempel geschlachtet wurden. Wie immer man mit dieser Zahl umgehen mag, es waren sehr viele Tiere, die da verkauft wurden, ein ziemlicher Trubel also. Und mitten hinein die Aktion Jesu. Stellen Sie sich vor, am Beginn einer Sonntagsmesse würde jemand am Schriftenstand beginnen, die dort aufgelegten Zeitungen zu zerreissen und mit Protestrufen in der Kirche herumzuwerfen.

 

Was soll das Ganze? Die Schilderung eines Jesus, der auch einmal wild werden kann im Unterschied zum Großteil des Evangeliums? Die Schilderung eines Eklats, der klar machen soll, warum Judentum und Christentum so schnell getrennte Wege gegangen sind?

 

Eigentlich macht uns Johannes die Antwort auf diese Frage leicht, weil er sie im Text selbst gibt, und weil diese Antwort im Johannesevangelium an markanter Stelle mehrmals auftaucht. Die Antwort ist einfach und steht am Ende des heutigen Evangelienabschnittes, sozusagen als dessen Zusammenfassung: „Viele kamen zum Glauben an seinen Namen, als sie die Zeichen sahen, die er tat“. Zum Glauben an Jesus Christus kommen, darum geht es also. Dh., verstehen was diesen Mann bewegt, wer er ist und damit eine vertrauensvolle Beziehung zu ihm aufbauen. Johannes hat das bereits am Anfang seines Evangeliums angekündigt, im Lied, das er seinem Evangelium voransetzt. „Im Anfang war das Wort“ - dort heisst es, nachdem davon die Rede war, dass Jesus in der Welt nicht nur offene Herzen entgegengehen, dort heißt es also: „Die an seinen Namen glauben, denen gibt er Macht, Kinder Gottes zu werden. Und dann, noch einmal, ganz am Ende des Evangeliums, in einer Art Resumme über den Sinn des Evangeliums: „Dies, nämlich das Evangelium, ist aufgeschrieben, damit ihr glaubt, und das Leben habt in seinem Namen.

 

Wenn also der Glaube an Jesus das Ziel des Evangeliums als Ganzem und des heutigen Abschnittes im Besonderen ist, bleibt die Frage: Was hilft der zwischen den Ständen des Tempelvorhofs tobende Jesus zum Glauben zu kommen. Wie meist bei Johannes, verbirgt sich die Antwort in der wohl bewussten Doppeldeutigkeit des Evangeliumstextes. Nur ein Hinweis: Da gibt es die Frage der irritierten Beobachter der Szene: „Welches Zeichen gibst du uns als Beweis, dass du das tun darfst?“ Und Jesus antwortet mit dem berühmten Satz: „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn aufbauen. Und Johannes weist sofort auf die Doppeldeutigkeit hin. Nicht der gewaltige, immer noch im Bau befindliche Herodianische Tempel ist gemeint (es wird noch 30 Jahre an ihm gebaut werden bevor er von den Römern 70 n. Chr. zerstört wird), es geht vielmehr um den Leib Jesus selbst, um seinen Tod (das Niederreissen) und seine Auferstehung (das Aufbauen) - das ist um die Sprache des Johannes zu verwenden - das Zeichen Jesu, sein Ostern, sein Tod und seine Auferstehung. Darauf hinzuführend erzählt Johannes diese Geschichte, damit wir ihn, den Gestorbenen und Auferstandenen in unser Leben aufnehmen, damit sich unser Leben ändert und wir die Macht der Kinder Gottes empfangen, ein Leben, das stärker ist als die Grenzen des Todes.