Erfüllte Zeit

29. 03. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Im Tod ist das Leben – Die Stunde der Entscheidung“
(Johannes 12, 20 - 33)

von Wolfgang Langer

 


Mit dem Tod ist alles aus. Das sagt uns unsere Erfahrung. Sie reicht nicht weiter als bis zum Grab. Dort verwest der Leichnam, löst sich auf und seine Bestandteile kehren in den Kreislauf der Natur zurück. Oder er wird verbrannt und geht in Rauch auf. Das war´s.

Und die Seele? Die soll ja angeblich unsterblich sein. Die moderne Hirnforschung ist skeptisch. Nach ihren Erkenntnissen ist alles Geistige an Materie gebunden. Ohne die komplizierten Verbindungen der Nerven im Gehirn geht nichts. Darum sind wir ja so um die Gesundheit unseres Körpers besorgt, damit wir unser Leben so lange wie möglich erhalten.

„Wer sein Leben liebt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt hasst, wird es ins ewige Leben bewahren“ (V. 25). Stärker kann der Gegensatz zu unserem natürlichen Empfinden nicht ausgedrückt werden. „Das Leben hassen?“ Dieses uns von einem gütigen Schöpfergott geschenkte Leben? Und eben das soll in ein ewiges Leben führen? Es ist gänzlich unverständlich. Auch das zur Veranschaulichung angeführte Beispiel vom Weizenkorn, das in die Erde fällt, „stirbt“ und so „reiche Frucht“ bringt (V. 24), ist nicht wirklich hilfreich. Es kann einfach nicht auf das Sterben des Menschen übertragen werden.

Wovon lässt der Evangelist hier Jesus eigentlich reden? Die Antwort lautet: Von seinem eigenen Tod, der bevorsteht. Das ist zunächst nicht klar. Denn es heißt: „Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird“ (V. 23). Erst viel später wird deutlich, was gemeint ist: „Und ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ (V. 32). Da haben wir es wieder, das Wort von der „Erhöhung“, das wir schon vom vergangenen Sonntag her kennen. Damit ist zuerst gesagt, „auf welche Weise er sterben werde“, wie der nachfolgende Vers 33 verdeutlicht, nämlich am Kreuz. Nur: Für den Johannesevangelisten sind Tod, Auferweckung und Erhöhung Jesu nicht drei aufeinander folgende Ereignisse. Er sieht sie zusammen als ein und dasselbe (Heils-) Geschehen. Und das hat eben sein Ziel und seinen Kulminationspunkt in der „Verherrlichung“ des Sohnes durch den Vater (vgl. V. 28). Das heißt: Gott nimmt den Menschen Jesus nach der vollendeten Selbsthingabe in sein eigenes göttliches Leben, in seine Ewigkeit auf.

Der Tod Jesu ist ein einmaliges, unvergleichliches Geschehen: Nicht das Sterben irgendeines Menschen, sondern die letzte und endgültige Hingabe seines Lebens für die Menschen, denen er sein ganzes Leben lang gedient hat. In diesem hingebenden Dienst liegt unser Heil. In ihm wird die alle umfassende Liebe Gottes, des Vaters, sichtbar und begreifbar. Nur von daher gewinnen die Paradoxien unseres Textes ihren Sinn.

Unser irdisches Leben ist zeitlich begrenzt. Es endet nach einigen Jahrzehnten mit dem Tod. Nur weil wir seit unserer Taufe aufs Innigste mit Christus verbunden, mehr noch „in“ ihn hinein genommen sind, kann sein Schicksal zu unserem Schicksal und seine Zukunft zu unserer Zukunft werden. Was einerseits ganz und gar von Gott geschenkt (also reine Gnade) ist, wird andererseits zur Lebensaufgabe des Christen: Jesus „nachfolgen“, d.h. ihm und mit ihm den Menschen, mit denen wir leben, „dienen“, füreinander da sein.

Aus dieser Perspektive wird jetzt klar, was mit dem Lieben und Hassen des Lebens gemeint ist. Wer ausschließlich auf das Leben in „dieser Welt“ setzt und versucht, alles für sich aus ihm heraus zu holen, hat aufs falsche Pferd gesetzt. Wer dem    Evangelium, und das heißt Jesus, vertrauen kann, der/die erkennt, wie „vorläufig“ irdisches Dasein ist und gewinnt den Mut, es „gering zu achten“, es als das einzuschätzen, was es ist. Er/sie erahnt die Weite und Größe der verheißenen Zukunft eines Lebens bei und mit Gott. So erschließt sich das beglückende „Geheimnis des Glaubens“: Im Tod ist das Leben.