Erfüllte Zeit

05. 04. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Der Herr braucht ihn – Der Einzug in Jerusalem“ (Markus 11, 1 - 10)

von Wolfgang Langer

 


In der Erzählung vom Einzug Jesu in Jerusalem ist die zweite Hauptfigur neben Jesus zweifellos der „junge Esel“. Am Anfang der Geschichte steht er „angebunden an einer Tür“ in einem Dorf nahe bei Jerusalem (V. 2). Die beiden Jünger, die losgeschickt werden, um ihn zu holen, sollen zur Rechtfertigung ihres Tuns sagen: „Der Herr braucht ihn“ (V. 3). Einfach so!

Wie im Bibliodrama können wir ja versuchen, uns einmal in dieses Tier zu versetzen, seine Rolle zu übernehmen. Esel sind daran gewöhnt, mit Menschen zu leben und für sie da zu sein. Sie lassen sich Lasten auflegen und tragen sie für gewöhnlich ganz geduldig. Im Gegensatz zur verbreiteten Meinung sind sie alles andere als dumm, sondern sogar auffällig intelligente Tiere. Sie haben eine gute Witterung, achten sorgfältig auf den Weg vor ihnen und setzen ihre Schritte äußerst vorsichtig. Wenn sie schlecht behandelt werden, reagieren sie freilich ausgesprochen störrisch. Sie dienen gern, aber versklaven, wie eine Sache behandeln lassen sie sich nicht.

Der Esel ist das Last- und Reittier der kleinen Leute. Deshalb hat Jesus ihn und nicht das stolze Pferd gewählt. Denn er wollte als der macht- und gewaltlose König des „kommenden Reiches Davids“ (V. 10), d. h. der Herrschaft eines die Menschen liebenden Gottes in Jerusalem einziehen. Nicht als Potentat, der sich bedienen lässt, sondern als einer, der dient – zum Heil der Menschen.

Ich weiß nicht, wie der junge Esel damals auf seinen ersten Reiter reagiert hat. Er war ja einer, „auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat“ (V. 2). Aber ich möchte dich gern auf mich nehmen, um dich zu den Menschen zu tragen, die auf dich warten – oft ohne es zu wissen. Was könnte ich auch sonst für dich und die Menschen tun? Meine eigene Weisheit reicht nicht weit und sie wäre auch nicht wirklich hilfreich. Deine Botschaft von einem himmlischen Vater, der die Menschen vorbehaltlos liebt und auch denen verzeiht, die oft zu schwach sind, seinen Willen zu tun, möchte ich ihnen bringen. Ich will dich zu ihnen tragen. Lass mich dein Esel sein!

Oft genug verschlafe ich meine Gelegenheiten, an Ort und Stelle zu sein, wenn Menschen offen und bereit für dein Evangelium sind. Dann bin ich halt der „Palmesel“, der zu spät aus den Federn kriecht, und muss den Spott der anderen ertragen. Aber mein Herr ist „gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte“ (Ex 34, 6). Von seiner Barmherzigkeit lebe ich, auch wenn ich ihm nur wie ein Esel diene. Manchmal bin ich auch störrisch, will nicht so wie er, bin eher auf das Meine als auf das Seine bedacht.

Ich freue mich, wenn Menschen dir zujubeln: „Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn“ (V. 9b). Damals wie heute sind es wohl nur wenige. Sie werfen zwar ihre Kleider auf die Straße, um dir den Weg zu schmücken, aber es ist kein Verlass auf sie. Wenig später werden sie rufen: „Kreuzige ihn!“ (Mk 15, 13).

Was kann einem Jünger Jesu Besseres widerfahren, als dass man von ihm sagt: „Der Herr braucht ihn“.