Erfüllte Zeit

12. 04. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Entdeckung des leeren Grabes und Jesu Erscheinung vor Maria aus Magdala“ (Johannes 20, 1 – 18)

Von Markus Schlagnitweit

 

 

„Zu Ostern ist Jesus Christus von den Toten auferstanden. Ein Fest der Freude für die Menschen.“ – In mehrtausendfacher Ausfertigung ist diese Botschaft in den vergangenen Tagen in ganz Österreich plakatiert worden. Nun, es gehört zwar zum Geschäft der Werbewirtschaft, Botschaften prägnant und überschießend zu präsentieren. Aber: „Ein Fest der Freude für die Menschen“ – kann man das so einfach und allgemein behaupten?

 

Die Osterberichte der Evangelien sind im Vergleich dazu deutlich zurückhaltender, maßvoller und differenzierter: Von lautem und allgemeinem Jubel findet sich darin nichts. Viel eher ist da die Rede von Irritationen, von Zweifel und Skepsis – und davon, dass sich der Glaube an die Auferstehung erst allmählich und langsam Bahn brechen konnte.

 

Das vorhin gehörte Johannes-Evangelium etwa berichtet zwar ausführlich von der Entdeckung des leeren Grabes am frühen Morgen. Auferstehungsglaube und helle Osterfreude kamen dabei aber noch keineswegs auf – vielmehr die Annahme, man habe den Leichnam Jesu woanders hin verlegt. Von dem zweiten Jünger, der nach Petrus das leere Grab inspiziert, heißt es zwar: „Er sah und glaubte“. Gemeint dürfte damit aber noch keineswegs der Glaube an die Auferstehung sein, sondern eher, dass dieser Jünger diese Vermutung von der Verlegung des Leichnams teilte, mit der Maria von Magdala frühmorgens Alarm geschlagen hatte. Ansonsten ergäbe es ja wenig Sinn, wenn das Evangelium fortfährt: „Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste“, und wenn dann berichtet wird, dass die zwei Jünger einfach wieder nach Hause zurückkehrten – ohne von großer Osterfreude erfüllt zu sein, wohl eher ratlos und irritiert.

 

Das eigentliche Oster-Evangelium folgt erst danach: Die trauernde Maria Magdalena ist alleine am leeren Grab zurückgeblieben. Zweimal ergeht an sie die Frage: „Frau, warum weinst du?“ – und ihre jeweilige Antwort verrät: Sie haftet in ihrer Trauer noch ganz an den objektiven Tatsachen: Das grausame Ende Jesu, seine Grablegung, jetzt auf einmal ein leeres Grab – der Leichnam vermutlich woanders hin gelegt… – Was dann aber erfolgt, ist letztlich ein Geheimnis, über das wir nur Vermutungen anstellen können: Der Fremde, der Maria von Magdala zuerst nach der Ursache ihrer Trauer gefragt hatte, spricht sie plötzlich mit ihrem Namen an: „Maria!“ Da gehen dieser mit einem Mal die Augen auf, und sie erkennt den Auferstanden.

 

Ich deute diese Szene so: Das Angesprochen-Werden mit dem eigenen Namen bezeichnet einen Schritt – vom bloßen Haften-Bleiben an den objektiven, äußeren Fakten zur Frage nach der persönlichen Dimension und Bedeutung des Geschehenen. Maria von Magdala erfährt sich angerufen und herausgefordert, ihr eigenes Leben in Beziehung zu setzen zu den überlieferten Ereignissen und sich dabei selbst ins Spiel zu bringen. – Sie ist ja noch am Leben! Und die Liebe, die sie um Jesus trauern lässt – diese Liebe darf nicht am Vergangenen kleben bleiben, wenn sie ebenso lebendig bleiben soll. Diese Liebe muss vielmehr weiterleben und fruchtbar werden, soll sie sich letzten Endes nicht als sinn- und bedeutungslos erweisen. Das aber ist keine Frage objektiver Tatsachen und Wahrheiten mehr, die es etwa festzuhalten gälte; das ist vielmehr eine Frage der persönlichen Verantwortung und Entscheidung: Lieben kann nur, wer sich persönlich ins Spiel bringt, wer bereit ist, die Zumutung des Anderen anzunehmen und zu vertrauen.

 

Bei dem großen, vor 25 Jahren verstorbenen Konzilstheologen Karl Rahner habe ich einmal gelesen: „Wer an die Auferstehung nicht glaubt, für den findet sie nicht statt.“ – Der Glaube, von dem hier die Rede ist, meint aber gerade kein Festhalten katechismusartiger Lehrsätze oder objektiver Tatsachen. Karl Rahners Feststellung meint vielmehr: Der Glaube an die Auferstehung, ja diese selbst erweist sich nur in dem Maß als wahr und wirklich, in dem ein Mensch sein konkretes Leben und Handeln darauf gründet.

 

„Zu Ostern ist Jesus Christus von den Toten auferstanden.“ – Ja, aber nur wer sich von dieser Botschaft ansprechen und involvieren lässt, nur wer diese Botschaft aufgreift und im eigenen Leben Wirklichkeit werden lässt – nur ein solcherart österlicher Mensch hat – und gibt – Grund, ein Fest der Freude zu feiern.