Erfüllte Zeit

26. 04. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Zeugen der Auferstehung“

(Lukas 24, 35 - 48)

von Pater Bernhard Eckerstorfer

 

 

Da sitze ich in meiner Klosterzelle und bin mir unschlüssig, was ich Ihnen an diesem Sonntagmorgen sagen soll. „Christus ist auferstanden“, jubelt die Kirche. Was bedeutet das aber für mich? Vielleicht haben Sie sich auch schon diese Frage gestellt und keine klare Antwort gefunden. In meiner Suche bleibe ich beim letzten Wort des heutigen Evangeliums hängen: „Ihr seid Zeugen dafür“ – also Zeugen, dass Jesus Christus der Messias ist, er für uns starb und auferweckt wurde. Zeugen waren auch die Emmausjünger, von denen am Anfang die Rede ist: Sie erzählen, was sie unterwegs erlebt und wie sie Jesus erkannt hatten. Als im Zwölferkreis der Apostel ein Nachfolger für Judas den Verräter gesucht wird, geht es ebenfalls darum, „Zeuge seiner Auferstehung zu sein“ (Apg 1, 22); die Wahl fällt auf Matthias, der das Kriterium erfüllt, Jesus leibhaftig erlebt zu haben (Apg 1, 21f). Ein Zeuge Jesu Christi wird dann auch Paulus, der den Herrn zwar nicht als irdische Person gesehen hat, ihm aber dennoch begegnet ist.

 

Zeuge sein bedeutet also zu Jesus Christus gehören. „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“ (Apg 17, 28). Freilich war das schon für die Jünger schwer zu fassen,  ja unbegreiflich. Der Auferstandene entzieht sich unserer Logik. Bei der Auferstehung geht es nicht um ein von uns ausgedachtes Programm, sondern um eine Person, die nicht in unseren Konzepten, Prognosen und Vorhaben aufgeht. Gott übernimmt die Initiative – in Emmaus, in der Jerusalemer Urgemeinde und bei uns heute. Die Jüngerinnen und Jünger sehen ihn zwar nicht, aber er ist da – zeigt sich dann sogar in Fleisch und Blut, um klar zu machen: Ich bin bei Euch! Das Volk Gottes erfährt sich als Leib Christi.

 

Die Begegnung mit dem Auferstandenen verweist auf eine andere Welt, die uns jedoch bereits hier umfängt und trägt – und die deshalb ganz zu uns gehört. Das Evangelium macht deutlich: Die Begegnung mit Jesus können wir nur offenherzig wahrnehmen und in zerbrechlichen Gefäßen weitergeben. Das christliche Zeugnis lebt von dieser fortwährenden Beziehung, die wir empfangen, von Gott geschenkt bekommen. Haben wir die Botschaft von der Auferstehung vielleicht allzu sehr domestiziert? Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir durch unsere kirchliche Betriebsamkeit gerade den verstellen, der sich uns unerwartet, jenseits aller Berechenbarkeit und Machbarkeit zu erkennen gibt: Die Rede vom Mysterium wurde von der „Effizienz“ verdrängt, die Schwestern und Brüder im Glauben sind zur „Klientel“ geworden, die mit „niederschwelligen Angeboten“ bedient werden soll. Statt einer geistlichen Formung von innen her hält ein Kirchen- und Glaubensverständnis Einzug, das in Sprache und Denkweise zu sehr von Unternehmensberatung, Soziologie und Psychologie geprägt ist. Quantitative Steigerung und innerweltliche Erklärungsmuster sind nicht der Dreh- und Angelpunkt des Zeugnisses von Tod und Auferstehung Jesu Christi.

 

Und dennoch: Unser Mittun ist entscheidend. Gott bindet sein Wirken an unsere aktive Teilnahme. Öfters höre ich: „Der Glaube, die Sonntagsmesse gibt mir wenig … Ich bin halt kein Heiliger.“ Machen wir es uns nicht zu einfach, wenn wir meinen, die Beziehung zum Herrn sei einfach da oder nicht da? Sie entsteht doch erst langsam, fordert Aufmerksamkeit, Mühe, Zeit. Wie viel investieren wir in den Beruf, in Kontakte und Beziehungen, in die Freizeit, ins äußere Erscheinungsbild oder in die eigene Wohnung! Und beim Glauben soll alles automatisch gehen? Zeugen wenden viel auf, um zu dem zu werden, wozu sie berufen sind. Dies zeigt ein Märtyrer unserer Tage. Franz Jägerstätter hat einmal notiert: „Hätte ich nicht soviel an katholischen Büchern und Zeitschriften gelesen, so wär’ ich vielleicht auch heute anderer Gesinnung.“ Der einfache Bauer aus St. Radegund hat unermüdlich die Heilige Schrift gelesen, sich mit der kirchlichen Tradition befasst und den Willen Gottes gesucht. So ist er zum leuchtenden Zeugen einer anderen Macht geworden.

 

Im heutigen Evangelium finde ich schließlich die Grundhaltung, die aus den Jüngern Zeugen machte: Sie staunten über die Erscheinung des Auferstandenen. Taumazein können wir auch mit „sich wundern“ übersetzten. Die Jünger standen verwundert vor dem Wunder.

 

Für mich klingen diese Worte vertraut. Vor zehn Jahren hat mir mein Doktorvater diese Haltung nahe gelegt. Zur Promotion gab er mir ein Buch; als Widmung hätte ich erwartet: „Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Karriere!“ – oder so ähnlich. Nein, er gab mir nur diese schlichten Worte mit auf den Weg: „Verlernen Sie nie das Staunen!“

 

Da sitze ich also in meiner Klosterzelle an diesem Sonntagmorgen und möchte Ihnen ebenfalls schlicht und einfach sagen: „Verlernen Sie nie das Staunen!“