Erfüllte Zeit

10. 05. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Bildrede vom Fruchtbringen - Rein durch das Wort“

(Johannes 15, 1 – 8)

von Veronika Prüller-Jagenteufel

 

 

Wenn ein Weinstock, ein Obstbaum oder auch eine Hecke im Garten kräftig beschnitten werden muss, schaut das brutal aus. Nicht nur Dürres, ohnehin Abgestorbenes wird weggeschnitten, sondern auch so manches Grüne muss heraus. Doch so wird das Wachsen, Blühen und Reifen gefördert. Der Winzer oder die Gärtnerin ist dabei nicht gemein, sondern umsichtig und sorgsam.

 

Mag sein, den gestutzten Pflanzen schmeckt das im ersten Moment genauso wenig wie uns, wenn an unserem Lebensbaum ein Trieb abgeschnitten wird. Dabei führt das Kürzen und Beschränken an der einen Stelle oft an einer anderen zu verstärktem Wachstum und schöneren Früchten. Doch das wird oft erst viel später einsichtig und oft bleiben wir mehr an dem hängen, was einmal weggeschnitten wurde, anstatt das ins Zentrum des Blicks zu stellen, was weiter gewachsen ist.

 

Im Bild vom Weinstock und den Reben wird vom Prozess der Reinigung gesprochen. Triebe, von denen keine Früchte mehr zu erwarten sind, kommen weg; andere werden gereinigt, damit sie mehr Frucht bringen.

 

Zu seinen Leuten sagt Jesus: Genau diesen Prozess kennt ihr schon, diese Reinigung habt das schon durchgemacht. Ihr seid schon rein und zwar durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe. Dieses Wort hat das bewirkt.

 

Was heißt das? Welches Wort ist da gemeint?

 

Wer zu Jesus Christus gehört, wurde irgendwann von seinem Wort getroffen. Dabei können wohl wenige Menschen ein einzelnes Bekehrungserlebnis benennen, aber ich vermute, es gibt auf jedem Glaubensweg die Momente, wo ein Wort, eine Begegnung ins Schwarze getroffen hat. Momente, in denen klar wird: darum geht’s; in denen mich etwas trifft, nicht mehr loslässt, ein Wort der Bibel, ein Wort Jesu mir nachgeht. Ich erinnere mich, dass in meiner Jugendzeit für mich das Wort Jesu an die so genannte Tochter des Jairus sehr wichtig war: Mädchen steh auf. Ich habe das damals als deutlichen Impuls wahrgenommen, mein Christsein aktiv zu leben. Viel später, in einer schwierigen Phase der Auseinandersetzung mit äußeren Hindernissen und unerfüllten Lebenswünschen, war dann Jesu Zuspruch an die blutflüssige Frau für mich wesentlich: Frau, dein Glaube ist groß; du bist von deinem Leiden erlöst. Ich hoffe und wünsche allen, dass sie solche wirkmächtigen Worte Gottes in ihren Leben kennen.

 

Das Grundwort, das Jesus zu jedem und jeder spricht, das ist das Wort der Berufung in seine Nähe, in das Verbundensein mit ihm – wie ein Weinstock mit seinen Reben verbunden ist.

 

Wer dieses Wort hört und annimmt, stellt sich der Reinigung. Wenn ich Jesu Wort bzw. Jesus, das fleischgewordene Wort, an mich heranlasse, wird es mich reinigen, wird es das Überflüssige wegnehmen, das, was zu viel ist; das, was mich hindert zu leben, zu wachsen und Frucht zu bringen. Dieses Wort ist ganz schön mächtig und wirksam. Der Prozess, den es auslöst, kann auch einmal hart wirken; es kann schwer fallen, etwas zu lassen, das bislang zu mir gehört hat. Es kann schmerzlich sein, nicht mehr in alle Richtungen Triebe wachsen zu lassen, sondern mich zu konzentrieren auf dieses eine Wort und den Weg, den es mich führt. Das ist ein Wagnis im Vertrauen darauf, dass die Winzerin sorgsam das Richtige tut.

 

Und wie geht das, dieses Wort in mir zu behalten– so wie Jesus sich das in der heutigen Bibelstelle wünscht – und mit ihm eins zu sein?

 

Dazu braucht es keine außergewöhnliche mystische Begabung, wohl aber die Bereitschaft, sich in die Beziehung zu Christus hineinzubegeben und einzuüben. Die drei Grundformen dafür sind immer noch: das Beten bzw. die Liturgie, das Lesen in der Bibel und der Dienst an den Nächsten.

 

Wer so in Christus bleibt und seinem Wort in sich eine Bleibe gibt, der wird – sagt das Evangelium – selber ein wirkmächtiges Wort haben: Sie oder er wird so bitten können, dass das Erbetene ihr und ihm geschieht. Auch dabei geht es nicht um besondere Zauberkräfte, sondern wohl eher darum, dass die, die mit Jesus eng verbunden sind, um genau das bitten, was Gott uns geben will.

 

In diese innere Verbundenheit mit Jesus immer tiefer hineinzugehen und dabei Frucht zu bringen, also andere zu nähren und zu erfreuen – das gibt Gott die Ehre, heißt es am Schluss der Bibelstelle. So erstrahlt Gottes Glanz und Herrlichkeit unter uns.

 

So wie auch die neuen kräftigen Triebe der zuvor beschnittenen Bäume und Sträucher im frischen Grün und den saftigen Früchten aufs Neue Licht und Leben sichtbar machen.