Erfüllte Zeit

21. 05. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Erscheinungen des Auferstandenen“ (Markus 16, 15 – 20)

von Hans Peter Premur

 

 

Wir haben uns heute schon daran gewöhnt, dass das Christentum eine weltumspannende Angelegenheit mit rühmlicher aber auch unrühmlicher Missionsgeschichte ist. Doch dieses Faktum ist genau betrachtet nicht etwas Selbstverständliches oder gar etwas Normales. Ausgehend von einer kleinen Gruppe in einer abgelegenen Region Palästinas hat sich eine weltweite globale Glaubensgemeinschaft gebildet, die nach 2000 Jahren immer noch lebendig und dynamisch ist. Zwar haben die Chinesen, die Perser, der indische Kaiser Ashoka oder etwa Alexander der Große Expansions- und Großreichpolitik betrieben, dennoch erreichte ihre Aktivität nie eine globale Dimension. Ebenso war es nicht ihr Anliegen, eine einheitliche Weltreligion zu verbreiten. Von keiner anderen Religion vor dem Christentum kann man behaupten, dass sie von Anfang an auf die ganze Welt hin angelegt war. Sowohl die indischen Religionen, als auch das Judentum kennen explizit so einen Auftrag nicht. Der erste, der so einen globalen spirituellen Ansatz in der Geschichte der Menschheit zeigt, ist der auferstandene Christus selbst. Von ihm kommt der Auftrag, ausgehend mit einer Minitruppe neue weltweite Zustände herbeizuführen. Genau betrachtet ist es nicht sein Programm alle Menschen zu Mitgliedern einer hierarchischen Organisation, etwa der römisch-katholischen Kirche, zu machen sondern sie zu taufen. Taufen heißt aber, die Menschen aus der biologischen Geburt in eine spirituelle Neugeburt hineinzuführen. Ein neues Leben in Gott zu beginnen und in eine neue Dimension vorzustoßen. Evolutionstechnisch gesehen, könnte man die Aussendung der Jünger als einen Versuch zum entwicklungsmäßigen Quantensprung erachten. Die Welt mit dem Ganzen, was in ihr vorhanden ist, in ein neues Licht zu tauchen, sie in den Himmel oder wenigstens ein bisschen höher hinaufzuführen. Einen neuen Menschen, einen vom Licht Gottes durchfluteten zu bilden. Denn wie könnte man sonst die Verheißung der neuen Sprache verstehen, die alle anderen Sprachen in sich aufnimmt und diese erhöht? Oder wie die Rede verstehen, von Krankheit, Gift und Schlangen, die den neuen Menschen, den Christen, nichts mehr anhaben können? Die Himmelfahrt Christi bedeutet nicht, dass die Menschen, die endlich auf den Geschmack der Gottesbeziehung gekommen sind nun von diesem Gott verlassen, der Gravitationskraft der Erde ausgeliefert sind, sondern bedeutet eben auch eine Veränderung der Welt. Allen Geschöpfen, so heißt es heute und damit ist mehr gemeint als nur die Menschenwelt allein, allen Geschöpfen also, soll ausgehend von der kleinen Stadt Jerusalem ein globaler Transformationsprozess angesagt werden. Diese unerhörte Ansage aus der Kraft des Evangeliums bedeutet einen Dimensionssprung in der Menschheitsentwicklung. Wer so die Auferstehungskraft erlebt, der kann sich eigentlich nicht daran gewöhnen, dass das Christentum ein global player, eine weltweite Organisation unter anderen ist, die im Wettbewerb der Religionen steht. Wer das Evangelium des heutigen Tages ursprünglich liest, der oder die weiß, dass der Auftrag des himmelfahrenden Auferstandenen im Grunde nur einer ist: Der weltumfassende, zu griechisch eben katholische Auftrag, alle Menschen durch friedliche Mittel, wie Dialog und persönliches Zeugnis in eine persönliche Neugeburt, in eine persönliche Gottesbeziehung hineinzuführen.