Erfüllte Zeit

12. 07. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Aufruf zur Umkehr heute – Die Aussendung der zwölf Jünger (Markus 6, 7 – 13)

vonFery Berger

 

 

Jesus sandte die Zwölf zu zweit aus und sie machten sich auf den Weg.

Der Weg ist eines der wichtigsten Symbole für die Anhänger Jesu. Die ersten Christinnen und Christen wurden als „die vom Neuen Weg“ bezeichnet. Christsein bedeutet, Jesus Schritt für Schritt auf seinem Weg nachzufolgen, von ihm zu lernen um schließlich in eine Erfahrung einzutauchen, die Paulus im Galaterbrief als „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ beschreibt.

 

Sich dorthin auf den Weg zu machen bedeutet, sich auf einen persönlichen, offenen Prozess einzulassen. Man kennt als Christ zwar das große Ziel, oder besser gesagt die Vision; aber wie man dort hinkommt, das ist ein völlig offener und innerer Prozess. Es geht letztlich immer darum, den richtigen nächsten Schritt zu setzen.

 

Auf dem Jakobsweg in Spanien wurde ein Spruch gefunden, den man dem Heiligen Franz von Assisi zuschreibt. „Die ihr wandert des Weges. Es gibt keinen Weg, es gibt nur das Wandern.“

Jesus nachzufolgen bedeutet „Schritt für Schritt in seinen Fußstapfen gehen“. Auf den nächsten Schritt kommt es an.

 

Jesus sagte zu den Zwölf: „Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst“.

Diese Aufforderung Jesu scheint mir ein Hinweis zu sein, wie sich Jesus die pastorale Arbeit seiner Jünger vorgestellt hat. Nicht das Hetzen von Termin zu Termin, nicht vorrangig das Zählen der Zahlen, sollte im Mittelpunkt stehen. Mir fällt dazu ein Zitat von Peter Handke ein: „Heilige Langsamkeit“. „Besinnt Euch auf das Wesentliche! Bündelt die Kräfte! Betröpfelt nicht die Wüste mit Wasser, sondern versucht Oasen zum Blühen zu bringen. Nicht vorrangig auf die Quantität kommt es an. Das Reich Gottes ist wie das kleine Senfkorn, wie Sauerteig, der die Gesellschaft durchdringt. Widersteht dem Zeitgeist des immer mehr und immer schneller. Lernt heute eine Kultur des richtigen Umgangs mit Handys und dem 24-stündigen online Sein. Nehmt Euch Zeit für persönliche Beziehungen“.

 

Ich gestehe, dass ich als Laie und pastoraler Mitarbeiter unserer Diözese, dem unser Bischof einen sehr großen Arbeitsfreiraum gewährt, leicht reden kann. Anders ergeht es meinen Freunden im Diakonats- und Priesteramt. In unserer Pfarre in Weiz - mit 15.000 Katholikinnen und Katholiken eine der größten in der Steiermark - müssen zwei weitere Pfarren und das ganze Dekanat seelsorglich mitversorgt werden. Die längste Zeit verbringen wir in den wöchentlichen Mitarbeitergesprächen mit den gefinkelt ausgedachten wöchentlichen Gottesdiensteinteilungen. Stehen hier nicht kirchliche Strukturen der jesuanischen Pastoral einer Heiligen Langsamkeit diametral entgegen?

 

Die Jünger riefen die Menschen zur Umkehr auf.

Jesus gab seinen Jüngern einen Auftrag: „Verkündet das Evangelium“. Dieses Wort wird heute oft mit „froher Botschaft“ übersetzt. Froh wird mit fröhlich gleichgesetzt, die Menschen sollen glücklich werden. Diese Interpretation scheint mir aber einseitig zu sein. Lustig ist die Botschaft Jesu nicht. Leicht hatten und haben es die Jünger Jesu nicht. Sie treten an mit einer guten Nachricht vom vollen Leben; ein erfülltes Leben erfordert aber Umkehr.

 

Es geht also nicht bloß um einen Richtungswechsel im Leben; nein es geht um Umkehr. Um ein Zurück, um eine Wende. Wer umkehren muss, der hat sich verirrt, der ist in die Irre geführt worden. Und wer hört das schon gerne?

 

Wie könnte dieser Aufruf zur Umkehr heute ausschauen? Ich glaube, dass er gerade in der heutigen gesellschaftlichen Situation der sich zuspitzenden globalen Krise auch stark politisch formuliert werden müsste:

 

> Kehrt um, die ihr mit dem jetzigen Wirtschaftssystem mit in die Irre gegangen seid. Ihr, die ihr glaubt, dass Geld arbeiten kann; dass Aktien in erster Linie nicht eine Kapitalhilfe für die Unternehmen sind, sondern die Gelegenheit mit Geschick in kürzester Zeit ein Maximum an Gewinn zu erzielen.

> Kehrt um, wenn ihr Euch manipulieren lässt von der alles beherrschenden Werbung; euer Sonntagsritual es ist, das Auto zu waschen und ihr Euren Gottesdienst in den Einkaufszentren der Vorstädte feiert, nach dem Motto: „Ich kaufe, also bin ich.“

> Kehrt um, wenn ihr zu den 29% der Österreicherinnen und Österreicher gehört - den sogenannten „ichbezogenen Autoritären“ - die autoritär, ausländerfeindlich und individualistisch sind; oder zu den 21%, die sich einen starken Führer wünschen, der sich weder um Parlament noch um Wahlen kümmern muss.

> Kehrt um, wenn ihr nicht auch persönlich alles Erdenkliche gegen die Klimaerwärmung tut. Wir haben unsere Eltern gefragt: „Wie war das möglich mit Hitler?“ Unsere Kinder werden uns mit Sicherheit fragen: „Wie war das möglich, dass ihr nicht rechtzeitig, als schon alle Fakten über die drohende Klimakatastrophe auf dem Tisch lagen, mit allen Mitteln darauf reagiert habt?“

> Kehrt um, wenn ihr Euch nicht leidenschaftlich für die Bekämpfung des Hungers von inzwischen 1 Milliarde Menschen auf der Welt engagiert; wenn ihr glaubt, dass sich auf Dauer die 2 Millionen Nordafrikaner, die mit allen Mitteln nach Europa wollen, von unserem reichen Kontinent aussperren lassen werden.

> Kehrt um…

> Kehrt um…

 

Seien Sie sicher, dass der, der diese Umkehrrufe ausspricht, sich auch selbst von dem hier Gesagten angesprochen fühlt. 

Und trotzdem, es gehört gesagt.